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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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schwanken wirklich in jedermanns Vorstellung, von der Parteien Haß und Gunst verzerrt.«
    »Gunst? Gibt's nicht. Am Hof hält man mich ebenso jeder Ketzerei für fähig wie bei allen Parteien.«.
    »Man hat Sie sogar bei Majestät als verkappten roten Demokraten angeschwärzt«, lächelte Roon verlegen. »Das klingt so unglaubhaft, daß der König lachte. Doch man kolportiert arge Ausfälle von Ihnen gegen die anderen deutschen Souveräne.«
    »Werde mich gerade genieren. Meine alten Freunde Moritz und Hans lassen in ihrer Partei nichts auf mich kommen, sonst aber bin ich in solennem Bierverschiß, wie wir Studenten zu sagen pflegten. Gestehen Sie's nur zu, Ihre Herren von der Kreuzzeitung möchten mich erst für Zustandekommen der Heeresreform benutzen und dann beseitigen. Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan und kann dann gehen, heraus mit der Sprache, ist's nicht so?«
    »Einige meinen, Sie würden uns mit Österreich in Krieg verwickeln, bloß dafür seien Sie so militärfromm.«
    Otto lächelte spöttisch. Die Kurzsichtigen erkannten nicht, daß sein Durchsetzen der Heeresreform seine Unentbehrlichkeit beweisen und somit seine Stellung gegen alle frommen Wünsche befestigen mußte. Doch dies Durchsetzen mußte eben erst abgetrotzt werden.
    Der neue Ministerpräsident hatte keine gute Presse. »Der burschikose Junker«, »hohle Renommist«, »Stadtvertilger«, »Napoleonvergötterer« erschien im Lager der Fortschrittspartei als eine Art Vogelscheuche, und die Altliberalen machten es nicht besser. Otto las mit Humor solche Ergüsse: »Er wird nicht davor zurückschrecken, ohne Budget zu regieren, und sich einer abenteuerlichen Großmachtpolitik in die Arme zu werfen.« Du ahnungsvoller Engel du! Und was orakelt die liebe Tante am Rhein, die Kölnische? »Das Volk weiß, daß Herr v. Bismarck äußere Verwickelungen nur herbeiwünscht, um die inneren zur Ruhe oder doch zum Schweigen zu bringen.« Dieser Engel ist entschieden ahnungslos, herrje, die Augsburger Allgemeine, meine besondere Gönnerin, Klassikerverlag Cotta, schwarz-gelber Einband. Was sagt ihr Beobachter an der Spree? Er schmeichelt nicht, doch wird am Schlusse erhaben: »Nach seinen Taten soll er gerichtet werden.« Topp! Darauf lassen wir's ankommen. Die Tante Voß ist giftig, die Spenersche Zeitung staatsmännisch: »Mit merkwürdiger Einmütigkeit wird dem neuen Ministerpräsidenten in der liberalen Presse ans Herz gelegt, sich mindestens aller abenteuerlichen Kreuz- und Querzüge in der auswärtigen Politik zu enthalten. Schon ein Blick auf seine Kollegen wird ihm wohl dartun, daß für geniale Kombinationen jetzt nicht die Zeit ist.« Das kommt von der Seite Unruh her.
    Otto schob den Pack Zeitungen beiseite und dachte bitter: Ein Blick auf meine Kollegen! Das war boshaft. Also den wortreichen Rechthaber Jagow für das Innere werde ich durch Fritz Eulenburg ersetzen. Itzenplitz geht vom Landwirtschafts- zum Handelsministerium über. V. d. Heydt ist fällig, muß in der Finanz durch Karl Bodelschwingh ersetzt werden. Graf zur Lippe Justiz, Wühler Kultus, Selchow Landwirtschaft sind freilich noch weniger Überflieger. Im ganzen ist's eine ziemliche Falstaffkompagnie von ausgemusterten Rekruten. Doch solange Roon mir bleibt, will ich's schon wagen.
    Er dachte daran, wie er Roon zuerst bei dessen Neffen Moritz Blanckenburg wirklich kennen lernte, ihn aber früher schon als Knabe in Kniephof oft gesehen hatte, wo Roon behufs topographischer Aufnahmen und geometrischer Messungen wiederholt einkehrte. Dabei lief der Knabe Otto um ihn herum, sein kleines Schießgewehr schulternd, was den gelehrten Militär amüsierte. Bei ihrer Zusammenkunft als Männer erinnerte sich Roon daran und bewahrte dem viel Jüngeren und damals Unbekannten eine freundliche Zuneigung. Nun hatte das Schicksal sie nahe zusammengeführt.
    Albrecht v. Roon war in seiner Weise ein bedeutender Mann und verstand das Kriegshandwerk im großen und kleinen aus dem Grunde. Seine wissenschaftliche Bildung auf bestimmten Gebieten verband Gründlichkeit mit eigener Einsicht, darüber hinaus ging freilich seine geistige Anschauung nicht. Von der poetisch-künstlerischen Seite des Genialen trennte ihn eine Welt, von philosophisch-humanistischer Durchbildung fehlte ihm trotz seiner Gelehrsamkeit jede Spur, seine naiv bärbeißige Religiosität wuchs auf gleichem Stengel wie die geistlose, dürre Bigotterie eines Moritz Blanckenburg und Kleist-Retzow. Für Politik besaß er genau das

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