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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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beseitigen oder auch nur abzuschwächen?«
    »Gewissermaßen doch!« wandte der Freiherr v. Vincke ein, der immer ein anständiger Edelmann blieb. »Man muß gerecht sein. Er hat in der offiziellen Erklärung gesagt, sofortige Beschlußnahme über den Etat von 1863 werde der künftigen Erledigung der streitigen Fragen nicht förderlich sein, sondern die Schwierigkeiten erhöhen. Der daran geknüpften Motivierung muß man fachlich beipflichten, sobald man sich an die Stelle der Regierung versetzt, die nun mal ihr Herz an diese Heeresreform gehängt hat.«
    »Aber nicht wir!« erscholl der Männerchorus.
    »Auch ich nicht, aber ich bin objektiv genug, anzuerkennen, daß er die Hand zur Versöhnung bot.«
    »Wieso denn? Waren wir taub?«
    »Er versprach ausdrücklich, den Etat für 1863 erneut dem Hause vorzulegen, sobald der Gesetzentwurf für Regelung der allgemeinen Wehrpflicht vollendet sei, und den für 1864 wieder ordnungsgemäß zur verfassungsmäßigen Beschlußnahme vorzulegen.«
    »Mausefallen! Und auf solchen Zimmt fällt ein alter Parlamentarier wie Sie herein!«
    »Ich glaube, daß er es ehrlich meint«, versetzte Vincke gelassen. »Er will bloß die Heeresreform durchdrücken und nachher in aller Form Indemnität von uns erbitten, sofern wir nicht vorher uns die Sache überlegen.«
    »Umfallen, nicht wahr? Nicht daran zu denken! Dies ist eine Prinzipienfrage für die Partei. Sollen wir für seinen verrückten Großmachtskitzel die Hand bieten? Den wollen wir ihm schon austreiben.«
    »Haben Sie verstanden, was er von schlechten geographischen Verhältnissen unserer Grenzen andeutete? Ha, das gibt eine französisch-russisch-preußische Allianz mit Verzicht auf den Rhein. Der Mensch ist zu allem fähig. Er realisiert französische Pläne, damit er in Deutschland den Schnapphan spielen kann. Jeder deutsche Mann muß sich dagegen empören.«
    »Den Liberalismus als Machthaber Preußens tat er geringschätzig mit ein paar schnoddrigen Redensarten ab. Katilinarische Existenzen, sagt er von unsern treubewährten Journisten? Ich werde die Presse schon scharfmachen.
    Die Tafelrunde erhob sich unter dem Schlachtgeschrei: »Diesem Ministerium keinen Groschen!«
    »Und dieser burschikose Erzjunker, die Hände in den Hosentaschen, der sich Allüren von Genialität gibt, ist ein Schwindler, ein Humbug. So sieht Genialität nicht aus. Das Genie ist immer bescheiden und dekretiert nicht selbst, ob es eins sei. Wir haben zu entscheiden.«
    Wir Philister, jawohl. Das gehört zur Tragikomödie von des Genialen Erdenwallen, daß sich immer und immer wieder das gleiche Schauspiel wiederholt, wo der Geniale als Blagueur ausgepfiffen wird, weil ihm stets eine gewisse linkische Eckigkeit im Anfang anhaftet, dagegen das nachäffende Talent mit großen, formvollen Gesten als Heldentenor gefeiert wird, freilich nur auf den Brettern der Tagesbühne, die nicht die Welt bedeuten. Auch hat der Philisterspruch »das Genie ist immer bescheiden« nicht mehr Wert, als der köstliche Satz »das Genie bricht sich immer Bahn« (ja freilich, durch die bloße Tatsache, daß es seine Werke schafft, aber selten im äußeren Erfolg). Das Genie ist gewiß bescheiden vor Gott, und sobald es diese Demut verliert, geht es zum Teufel. Und Goethes Aussage »Nur die Lumpe sind bescheiden« ist vollkommen falsch, denn die Lumpe sind nie bescheiden. Wohl aber stimmt »Brave freuen sich der Tat«, und Schopenhauer spottet mit Recht, wie man vom Genie erwarten könne, es solle seiner selbst nicht bewußt sein.
    »Da sehen Sie unsern großen Virchow! Der ist bescheiden!« So sprach auch der gewaltige Professor Adolf Stahr, Gatte der gewaltigen Fanny Lewald, einer jüdischen Prophetin des Aufklärichts, beides Leuchten und Zierden der Fortschrittspartei, die in ihrem Salon tout Berlin versammelten. Als dort der damals hochberühmte Berthold Auerbach nach seiner Gewohnheit etwas zu viel von seinen Dorfgeschichten prahlte, deren sentimentale Zustutzung der Schwarzwälder Bauernseele dem Großherzogspaar von Baden Tränen und dem schauderhaften Schönhauser Gutsherrn Lachtränen entlockte, sprach Stahr das tiefe Wort: »Ich hasse eitle Menschen, wie diesen lieben Freund oder den widrigen Bismarck. Da sehen Sie meine Fanny, die ist bescheiden!« Wozu die majestätische Aspasia, die deutsche Madame de Staël, ohne Talent gnädig schmunzelte. – –
    Die Zeitungen machten sofort einen Riesenkrakeel nach ausgegebener Losung. Der verrückte Bismarck und sein

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