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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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wenig,« fügte er mit einem herzerfrischenden, leisen Lächeln hinzu. Die beiden gänzlich Furchtlosen blickten sich in die Augen.
    »Eure Majestät sind der erste Offizier im Lande und haben Ihre Instruktion von Gott, den Posten zu halten. Es ist kein verlorener Posten, aber wenn dem so wäre, so erfüllen Sie den Befehl Ihres einzigen Vorgesetzten, und naseweise Manöverkritik läßt Sie unberührt. Auch sind wir hier auf keinem Manöver, sondern im wirklichen Krieg, und da werden Eure Majestät als oberster Kriegsherr und preußischer Offizier wissen, was Sie zu tun haben.«
    »Ich danke Ihnen.« Der König reichte ihm die Hand. In dem dunkeln Kupee ging ihm ein großes Licht auf. »Wie Sie zu mir halten, so werde ich zu Ihnen halten und mich fortan durch keine Kritik und keine furchtsamen Vorstellungen beirren lassen.«
    Es war ein Meisterstreich von Psychologie, daß sein Berater ihn mit einem Ruck auf den Pfad stellte, wo sein gerades, ritterliches Wesen die vertrautesten Wegweiser fand, in die Gefechtsposition eines Soldaten vor dem Feind. So hoch er die politische Weisheit seiner weiblich beredsamen Gemahlin ursprünglich einschätzte, es dämmerte seiner Bescheidenheit schon lange, daß diese anscheinende geistige Überlegenheit sich nur auf das Reden und nicht auf das Handeln verstand. Der von seinem Vater geerbte klare, gesunde Verstand und die persönliche Unerschrockenheit, die aber bei jenem etwa Hausbacken-Philiströses an sich trugen, gewannen bei ihm durch mütterliche Beimischung ein höheres Gepräge. Das Weiche, Humane, für poetische Regungen Empfängliche befähigte ihn zu schwunghafter Seelenerhebung, zu einer stillen Begeisterung. So hatten die unerforschlichen Mächte in ihm gerade denjenigen Herrscher ausgewählt, der einzig und allein geeignet schien, sich vom Dämon Genie, den ihm das Schicksal beigesellte, emportragen zu lassen. Seine eigene stumme und inartikulierte Weisheit fand so eine Stimme.
    Als der Zug auf dem Berliner Bahnhof einlief und die übrigen Minister dort den Monarchen empfingen, staunten sie über die wider jedes Erwarten heitere Stimmung. »Ja, meine Herren,« äußerte er sich mit leuchtendem Auge, »wir stehen in ernster, aber großer Zeit. Wir werden der Übelstände schon Herr werden und nicht einen Schritt nachgeben. Das Vaterland ruft, und wir werden dem Rufe folgen.« –
    Der ehrliche Vincke hatte es wahr gemacht, was er andeutete, er anerkannte das halbe Entgegenkommen der Regierung durch ein »Amendement«, wonach der Regierung angeboten wurde, »die Bewilligung eines vorläufigen extraordinären Kredits zu beantragen«. Er wollte so eine Art Eselsbrücke schlagen, um den Konfliktriß einigermaßen zu überkleistern und den Weg zur Verständigung offen zu lassen. Der Ministerpräsident erkannte dies in der Sitzung vom 7. Oktober ausdrücklich an und gab die Hoffnung nicht auf, daraus einen Anknüpfungspunkt zur Vermittelung zu gewinnen. Die übrigen »Resolutionen« der Budgetkommission bezeichnete er als Zurückweisen der dargebotenen Hand, als eine Herausforderung nach dem Vorschlag zum Waffenstillstand. Die Regierung nehme davon Akt. Die Kompetenzfrage sei niemals rechtlich ausgetragen worden, jetzt werde sie durch theoretische Dialektik und persönliche Polemik nicht gelöst werden. Interpretierung mit Interpretierung zu bekämpfen sei erst an der Zeit, wenn jeder friedliche Ausgleich unmöglich werde. Dagegen sei das Amendement Vincke ein Unterpfand der Verständigung, und er beantrage daher Vertagung der Verhandlung.
    Nichts da! Hic Rhodus, hic salta! Jetzt wird verhandelt und mit großer Mehrheit Vinckes Versöhnungsantrag verworfen. Verschiedene Abgeordneten umarmten sich in heller Siegesfreude. Otto hatte ein so drückendes Gefühl seines Besiegtseins, daß er in der Kammersitzung gemütlich an Nanne schrieb, er befinde sich sehr wohl. Die Schwester sandte ihm Blutwurst und Leber, von denen er ein reiches Frühstück zu sich nahm und ihre Schlachttaten segnete. –
    In folgenden Ministersitzungen ging es etwas beklommen her. Die Herren machten zum Teil lange Gesichter. Der arbeitsscheue Graf Eulenburg klagte: »Ich bin ganz nervös. Sie kennen ja wohl das Bonmot: Jemand ist klüger als Herr v. Talleyrand, nämlich Herr Tout-le-Monde. Die öffentliche Meinung ist ein harter Knochen. Und was wird das Ausland sagen!«
    »Das lassen Sie gefälligst meine Sorge sein. Une grande puissance ne se reconnait pas, elle se révèle , das ist ein anderes Bonmot,

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