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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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verblendeter Monarch würden erleben, was Strafford und Karl I., »von Unserm Langen Parlament«. In diesem Stil perorierten auch die Fortschrittler in der Kammer, die vormalige siebentägige Debatte über Ablehnung des Budgets lebte wieder auf.
    Der Kronprinz, den Ministerpräsidenten gelegentlich treffend, machte ein ernstes Gesicht. »Ihr Mut imponiert mir, aber ich fürchte, man wird mit Ihnen unglimpflich verfahren.«
    »Und wenn sie mich hängen, dann wird mein Strick das neue Deutschland fester an Ihren Thron binden.«
    »Sie bringen auch die Krone in Gefahr.«
    »Ich glaube nicht daran. Doch keine Macht der Welt wird mich von meinem Posten stoßen, solange mein König mich dorthin stellt. Die Heeresreform ist in vollem Gange, Roon sorgt dafür, und alles übrige schreckt mich nicht.«
    Aber es könnte den greisen König schrecken. Roon sprach seine Unzufriedenheit aus: »Sie haben sich zu sehr decouvriert und sind den liberalen Schlingeln zu weit entgegengekommen. Derlei geistreiche Exkurse fördern nichts und können unsern Herrn kopfscheu machen. Er scheut alles Gewaltsame.«
    »Wären die Feinde nicht so verbittert und plagte sie nicht der Ehrgeizteufel, ein Parlamentskönigtum für sich selber zu richten, so hätten sie mich verstanden.«
    »Die Hauptsache ist aber, ob Majestät Sie begreift. Er ist in Baden, wie Sie wissen, zum Geburtstag der Königin, und sie wird ihm schon einheizen mit dieser Presse in der Hand.«
    »Ich werde ihm bis Jüterbog entgegenfahren, um beizeiten vorzubeugen.«

In Jüterbog fertigten ihn die Schaffner, von denen keiner den hochgewachsenen Herrn in Inkognito kannte, kurz ab. Ja, der fahrplanmäßige Zug komme gleich. Ob der König wirklich damit fahre? Möglich, ein besonderer Salonwagen sei nicht dabei. Er möge selber nachsehen. Der Zug lief ein, und Otto fand den König in einem gewöhnlichen Kupee erster Klasse allein. Er sah sehr ernst und sorgenvoll aus und grüßte den unerbetenen Besucher, der ihn in seinen bittern Gedanken überfiel, nicht allzufreundlich.
    »Ich habe gewagt, Eure Majestät aufzusuchen, um über die Vorgänge zu berichten, die in höchstdero Abwesenheit –«
    »Nicht nötig«, unterbrach der König schroff, »Ich sehe voraus, wo das alles hinaus will. Vor meinen Fenstern auf dem Opernplatz wird man Ihnen den Kopf abschlagen und etwas später mir.«
    » Et après , Sire?« kam die kurze Antwort.
    »Ja, après , dann sind wir eben tot.«
    »Gut, dann sind wir tot, was früher oder später jedem begegnet, aber können wir anständiger sterben? Ich im Kampf für meinen König, mein König in Verteidigung seines guten Rechts. Ob man auf dem Schlachtfeld fällt oder auf dem Schafott, ist gleich, wenn man rühmlich sein Leben opfert. Eure Majestät tragen die Krone von Gottes Gnaden und sind nur Gott verantwortlich. Ich weiß wohl, daß man von Ludwig XVI. redet.« Das war in Baden wirklich geschehen. »Das war ein Schwächling, der vor der Geschichte als eine wenig erhebende Erscheinung gilt. Karl I. dagegen, der zwar die Schlacht verlor, wo er tapfer kämpfend voranzog, und dann sein Königtum mit dem Blute unter Henkerbeil besiegelte, wird er nicht immer vornehm und königlich vor der Nachwelt stehen? Und hat er nicht so für England das monarchische Prinzip gerettet?« Das war alles wahr, und das erzkonservative England feiert noch heute den »Märtyrer-König«, aber daß dieser bis zum Meineid verlogene und heuchlerische Tyrann mit dem Blut vieler Märtyrer seine eigene weiße Hand befleckte, und daß ein Abgrund ihn von dem streng gewissenhaften, durch und durch redlichen, im wahrsten Sinne ehrenhaften Wilhelm I. trennte, das wußte Otto natürlich auch. Was hier vor allem nötig schien, war die Berufung auf Tapferkeit und Selbstverleugung. Das edle Gesicht des Königs belebte sich zusehends, es fuhr gleichsam ein Leuchten darüber hin.
    »In der Tat«, bekräftigte er ruhig, »hat der Tod dieses Königs etwas Begeisterndes.«
    »Eure Majestät sind jetzt in gleicher Lage wie er. Sie sollen vergewaltigt werden und müssen fechten. Und selbst wenn leibliche Gefahr droht, dürfen und sollen Sie nicht kapitulieren.«
    »Nein, das will ich nicht.« Die große Gestalt des königlichen Greises straffte sich. Jetzt war er der preußische Offizier, der für König und Vaterland ohne Besinnen dem sicheren Tode trotzt. Otto hatte ihn am Portepee gefaßt, und solchem Alarmappell gehorcht jeder Soldat. »Die leibliche Gefahr beunruhigt mich wirklich sehr

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