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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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und zwar von meinem Freunde Gortschakow, auf Italien angewendet. Wir sind sicher eine viel stärkere und ältere Großmacht als das junge Italien, und werden uns schon ›enthüllen‹. Sobald das Ausland merkt, daß wir ruhig unsern Weg gehen, ohne uns um das Zeitungsgeschrei zu kümmern, wird diese Erkenntnis sich schon durchringen.«
    »Aber die finanzielle Seite!« wehklagte Graf Itzenplitz, der Handelsminister, den seine Untergebenen, die Dezernenten oder Vortragenden Räte, völlig beeinflußten. Diese und noch mehr die des Finanzministeriums hatten nur Fühlung mit den Liberalen und haßten das neue Ministerium von ganzer Seele.
    »Was soll ich dann erst sagen!« betonte der Finanzminister Bodelschwingh. »Meine Räte machen mir die Hölle heiß.«
    »Dann verabreichen Sie ihnen einige kalte Wasserstrahlen. Ihr Delbrück«, wandte er sich an Itzenplitz, »ist eine Kapazität. Aber es sind Durchstechereien in Ihrem Ressort vorgekommen. Haben Sie ein Auge auf die verdächtigen Beamten?«
    »O ja,« murmelte jener verlegen, »aber es sind gerade höchst begabte Leute für die Diensttechnik.« Otto wußte, daß er von beiden Ministern keinen werktätigen Beistand erwarten durfte, beide älteren Herren unterhielten sich über ihn nach dem Leitmotiv: Ein dilettantischer Anfänger, der ins Unglück reiten wird!
    »Ich werde Ihnen empfehlen, verehrter Kollege, sich an mich zu wenden und mir die geehrten Herren zu dienstlicher Behandlung zu überweisen«, lächelte der Justizminister Graf zur Lippe, wobei er nach seiner staatsanwaltschaftlichen Gewohnheit die Lippe höhnisch verzog. Er glaubte immer noch, sich vor armen Sündern zu befinden, denen sein Plaidoyer ein paar Jährchen Zuchthaus aufbrummen sollte, und hielt jeden Opponenten im Landtag für einen Verteidiger-Rechtsanwalt, den er seine amtliche und geistige Überlegenheit fühlen lassen dürfe. Er brachte damit die Kammer zur Wut und glaubte damit noch ein nützliches Werk zu tun. Wenn Bodelschwingh und Itzenplitz von liberalen Räten am Seil geführt und Selchow als Freimaurer mindestens indifferent, so bot Graf Lippe durch seine ultrareaktionäre Gesinnung dem Ministerium auch keinen rechten Halt, da er nur immer nach den unvernünftigsten Maßregeln drängte. Nur Eulenburg besah politisches Verständnis, aber er haßte als Lebemann trockene Arbeit, die seine Vergnügungssucht beeinträchtigte. Als der Konflikt sich immer weiter bis Neujahr zuspitzte und es ihm ans Leder ging, hielt er sich zwar schneidig genug, aber jammerte dann: »Ich bin hin, mein Nervenleiden nimmt zu, der Arzt verordnet mir Ruhe, und wo die finden!«
    »Wenn Sie etwas weniger auf Bälle gehen und der Venus huldigen!« mahnte ihn Otto ernst, der ihn jedoch nicht entbehren konnte.
    In diesem frühen Stadium der Verhandlungen fragte Eulenburg an: »Soll das Herrenhaus nun wirklich das revidierte Budget ablehnen und in der Regierungsform annehmen?«
    »Gewiß, ich sprach mich nach Eröffnung der Plenarsitzungen im Herrenhaus so aus, und Arnim-Boitzenburg wird den entsprechenden Antrag stellen.«
    Dieser alte Staatspräsident war auch nicht wenig verwundert, seinen ehemaligen faulen Referendar als höchste Spitze des Systems vor sich zu sehen. Wehmütig äußerte er zu seinem Neffen Harry: »Man weiß doch nie, was aus einem Menschen werden kann. Unser verehrter lieber Freund hat nie sein Assessorexamen gemacht und trat sozusagen als Wilder in die Diplomatie ein. Ich für mein Teil gebe viel auf korrektes Abwickeln der Examina und Rangstufen.«
    »Otto ist ein Meteor«, seufzte der neidische Harry, »und hat eben Glück.«
    »Meteore sind flüchtig«, schüttelte sein Onkel den Kopf. »Natürlich unterstütze ich seine Politik, doch wie lange wird's dauern!«
    »Wie der ist,« lachte Harry, »geht er überhaupt nicht mehr vom Fleck und bleibt lebenslänglicher Minister in Permanenz.«
    »Erzähle keine Märchen! Allerhöchstenorts sitzt er freilich fest ... fürs erste, aber Neujahr ist auch noch ein Tag, und nächsten Oktober ist Ultimo. Ich gebe ihm gerade ein Jahr, im Maximum.« –
    Mit höflicher Ruhe vertrat Otto vor dem vereinten Herren- und Abgeordnetenhaus, den »erlauchten, edlen und geehrten Herren«, den unerschütterlichen Standpunkt der Regierung. Er lobte die Handelsverträge mit Japan, Siam, China, Chile, Türkei und vor allem Frankreich, und sah darin die Bürgschaft, daß die dort maßgebenden wirtschaftlichen Grundsätze fortan die Grundlage unserer Handelspolitik

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