Bismarck 03
rechtzeitig eintrafen, um Unannehmlichkeiten für die Westfalen zu verhüten. Doch das ist hier nicht die Frage, sondern ob sie dort nötiger waren als bei Nancy, ob es richtig war, sie dort zu verabschieden und überhaupt den ununterbrochenen deutschen Siegeslauf an der Mosel jählings zu unterbrechen.
»Rückzug ist Niederlage« folgert großartig ein französischer Historiker, nur ein französischer Rückzug nicht, das verbittet man sich. Doch ein französischer Offizier spendet hier dazu den schmerzhaften Kommentar: »Scheinverfolgung gab uns Siegillusion«. Es wird zugestanden, daß die Truppen erschöpft und entmutigt waren. Uns besteht kein Zweifel, daß bei normalem Verlauf die Deutschen bis 10. September bei Charmes–Rambervillers durchgedrungen wären. Hatte man St. Dié, so hatte man auch Charmes; Isolierung von Epinal bedeutete die Möglichkeit, die Moselfront aus Süden aufzurollen, d. h. in dem Rücken von Toul–Nancy zu operieren, deren Fall dann nur eine Frage der Zeit war. Die eigenen französischen Aussagen lehren, daß die ganze französische Front bis Blenod hier unmittelbar vor dem Zusammenbruch stand. Glaubt man, ein so großer taktischer Sieg mit großer Beute hätte nicht weithin seine Schatten geworfen und die Ereignisse in Nord und Nordwest des Kriegstheaters nicht beeinflußt? Ganz von selber wäre Entlastung von Oise bis Argonnen eingetreten, wenn dann schon mal dort der noch dünnere und peinlichere Rückzug von Ourcq, Morin und Marnekanal erfolgte. Noch mehr: es wäre wahrscheinlich gar nicht zu diesem gottverfluchten Rückzug gekommen, wenn bei Joffre und Moltke die Kunde eintraf, die franz. 1. und 2. A. seien vernichtend geschlagen, wodurch Flanke und Rücken der franz. Hauptmacht entblößt. Unter allen Umständen waren dann Sarrail, Langle und Foch zu Abzug genötigt und Joffre hätte sich wohl gehütet, mit seiner Linken offensiv zu bleiben. Selbst die ärgste Willensschwäche Klucks und Bülows hätte sich auf solche Kunde ermannt. Die spätere geplante Umgehung auf St. Quentin hätte Joffre füglich unterlassen, so daß die Bildung der neuen 6. A. im äußersten Westen unnötig wurde. Daß die Umgruppierung nach Westen, die Moltke schon lange vor der Marneschlacht ins Auge faßte, an sich richtig war, tut nichts zur Sache. Das hätte man beiderseits vorher bedenken sollen, ehe man solche Massen im Süden anhäufte, wo auch die überlegene deutsche Manöverkunst nicht zur Geltung kam. Hat man aber beim Aufmarsch falsch disponiert, so soll man trotzdem dabei verharren, so lange noch irgendwelche Erfolgmöglichkeit winkt. Jede nicht unbedingt nötige Neu-Orientierung verschlingt nutzlos Zeit und Kraft. Als Joffre die Front Belfort–Toul derart entblößte, um Massen ins Marnetal zu werfen, geschah es wenigstens unter schwerem Zwang; es hätte ihm aber bitter aufstoßen können, wenn Moltke nicht gleiches tat, sondern den Stoß auf Nancy–Charmes dauernd fortsetzen ließ. Selbst französische Gefechtsberichte gestehen, daß Nancys Fall nahe bevorstand und bei weiterem Anprall des 1. b. und 21. K. die Korps Montpellier und Limoges überrannt worden wären. Wollte man die bayrischen Reserven und 2. K. zu westlicher Flankenbildung fortnehmen, meinethalben, obschon ja dazu sogar 4 K. der Hauptfront (2., 4., 18. und Garde) schon früher frei wurden. Auch Auswanderung Deimlings, was ja rein zufällig ein Glück wurde (Moltke ahnte natürlich am 2. nichts von der Lage vom 14.), hätte nichts geschadet; Heeringen war stark genug, um Dubail auch so niederzuhalten, der sozusagen kein Bein mehr rühren konnte. Doch ihm mitten im Siege sechs Divisionen zu rauben, war wirklich des Guten zu viel. Selbst so noch müssen wir den übereilten Abzug von St. Dié und Raon rügen; man war in den genommenen starken Stellungen in der Lage, sie mindestens länger zu behaupten und in vorspringendem Halbkreis den gänzlich erschütterten Feind an die Mosel festzuklemmen. Beim 1. b. und 21. K. war das schwerste getan, man brauchte nur die Früchte der großen gehabten Anstrengung zu pflücken; so aber gingen sie alle zum Teufel, die schweren Opfer waren umsonst gewesen. Auf die heldenmütigen Truppen wirkt derlei niederdrückend. Der schlichte Mann sagt sich: wir haben gesiegt und gehen doch zurück, also taten die Nachbarn nicht ihre Schuldigkeit, deshalb sollen wir die von ihnen versalzene Suppe ausessen! Später durchflogen Gerüchte einer schrecklichen Marne-Niederlage die Reihen der hiesigen Sieger;
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