Bismarck 03
siegreichen Schlägen in Frankreich gereizt haben. Die Franzosen wollen einen Tagesbefehl des 8. K. aufgefangen haben, der für 8. eine Hauptschlacht voraussah, und triumphieren: also hätten die Deutschen Entscheidung gesucht und dabei den Kürzeren gezogen. Dem General Tschepe stand der Drang nach Entscheidung um so weniger an, als er erst am 9. sein Korps notdürftig vereinte. Wie sehr trübt man das wirkliche Verhältnis, wenn man diesen Drang bei anderen als bei Hausen und dem Kronprinzen voraussetzt. Ausgesprochene Rückzugsneigung aber konnte am 8. noch bei niemand bestehen, obschon Bülows Entstellungen dies für sich selber andeuten. Weder gab es planmäßige Einleitung einer Hauptschlacht, noch planmäßiges Abbrechen, was immerhin scharfe Kritik herausfordern und Moltke das Brandmal der Schwäche aufdrücken würde, doch nie hat er es gut geheißen, alles ist allein Bülows trostloses Werk. » Vous avez ruiné la France «, herrschte am 17.6.1815 Napoleon den Ney und Erlon an: Moltkes Verzweiflungsausbruch entstammt herber Enttäuschung und gerechtem Zorn. Politische Rücksichten dürfen keinen militärischen Augenblicksakt beeinflussen; ein neuer Sieg hätte ja die politische Lage von Grund aus gebessert, doch wer hinten in Luxemburg am grünen Tisch saß, war sich wohl nicht bewußt, daß gerade jetzt Rückzug auch politisch der größte Fehler war? Doch! Moltke ahnte deshalb ein böses Ende, ein Finis Germaniae. –
Klucks Rückzug, dessen herrliche Ordnung die Fama preist, sah recht unschön aus. Er verließ eine Stellung nach der anderen, obschon Moltke ihm ursprünglich vorschrieb, südlich der Aisne zu bleiben. Er zeigte die Haltung eines Demoralisierten, was den Franzosen sonst nirgends, auch nicht bei Bülows Abzug, nach ihrer eigenen Aussage begegnete. Erschöpft wie er war, verfolgte Maunoury Armins Nachhut über Laval und stieß am 12. hinter I/27. Aufklärungstrupps in Richtung Nouvron vor. Indessen zeigen die V. L., daß am 13., 14. nur Scharmützel stattfanden. Bei Cotterets hielten 35er die Verfolger auf und hatten 66. R., das wahrscheinlich noch als Nachhut Opfer brachte, I/III/49. Berührung mit dem Feinde. Daß der 4. Kav. D. alliierte Reiterei durch Überfall ihre Batterie abnahm, zeigt die sorglose Liederlichkeit des Abzugs. Jeder weitere Rückzug bedeutete weiteres Sinken der Wage, Verzicht auf schnelleres »Matt«, nur »Remis« war noch möglich, ein »Patt« der festgerannten Offensivlinie der Verbündeten. Als der Rückdruck die deutsche Front in eine einzige straffe Mauer verwandelte, wo alle Einzelheere, die bisher teilweise vermißte innere Fühlung gewannen und alles besser in einen einheitlich gespannten Rahmen zu passen schien, hatte man sich allerdings taktisch verbessert, doch um so mehr Grund zu strategischer Niedergeschlagenheit. Eine Horizontallinie statt einer gekrümmten bedeutet eben reine Frontalaufstellung. Als Joffre hier wie einst Grant gegen Lee zu »hämmern« begann, hatte er nicht Grants Entschuldigung, daß die gewaltige Überlegenheit der Nordstaaten an Menschen und Material ihm jedes Blutbad erlaubte, wenn nur die Südstaaten dabei auch geschwächt wurden. Vorerst war Frankreich auf sein eigenes Menschenreservoir angewiesen, und das war wahrlich nicht unerschöpflich, erst 1916 warf England ein großes Gewicht in die Wagschale. Die »unzählbaren Bataillone des Zaren« und seine ausgeschrienen Reiterhorden, die sich in der Wirklichkeit jämmerlich blamierten, schmolzen schon 1914 wie Schnee in der Sonne. Es hatte lange den Anschein, als ob Deutschland auf beiden Fronten nur den linken Arm gegen Rußland und den rechten gegen Frankreich zu erheben brauche, um beide niederzuschlagen. Das unmittelbare Fortsetzen der Marneschlacht in allgemeiner vermehrter Hauptschlacht kann man nicht als Fehler Joffres bezeichnen, sondern als psychologisch richtig, doch eben nur unter der falschen Voraussetzung, daß die Deutschen durch übergroße Verluste »demoralisiert« sein müßten, denn warum hätten sie sonst, überall Sieger, unaufhaltsam Rückzug angetreten? Daß sich nachher die Sage bildete, die wundersame Berliner Strategie habe absichtlich den Feind sich nachgelockt, um ihn sich an der neuen starken Linie verbluten zu lassen, begreift sich angesichts des Ergebnisses, obwohl jeder Wahrheit entbehrend. Doch dies sind alles rein taktische Auffassungen. Strategisch glaubt man sich in die altersgraueste rohe Empirik zurückversetzt, wo man frontal auf einander
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