Bismarck 04
Praschnitsch vor.
Mit rund 6600 Verlust (330 Kav.) hatte man den wütenden Feind in die Verteidigung zurückgedrängt. Während Rennenkampf einen »Sieg« mit dreister Stirn ausposaunte und Hindenburgs Hauptmacht gegen sich wähnte, was auf Frei- und Leerlassung des breiten Zwischenraums zur Weichsel Einfluß übte, muß diese deutsche Abwehr, von anderen Ereignissen überholt, ein kriegsgeschichtliches Echo finden. Nie bewährte deutsche Standhaftigkeit sich besser. Die Königsberger L. W. bewies sich würdig ihrer einstigen Erstürmung des Grimmaschen Tores, die Altvordern von Dennewitz brauchten sich ihrer Enkel nicht zu schämen. Nur gewaltiger Geschützzauber der Russen vertuschte etwas die Minderwertigkeit ihres Fußvolks. Sie hatten ja jahrelang gerüstet, sich schon im März in Kriegsbereitschaft gesetzt und unendliche Munition angehäuft! Als sie wegen toller Verschwendung später ausging, erklärte man alle Niederlagen damit. Ja, natürlich, weil unendliches Material in deutsche Hand geriet, bis dahin aber deckte nur die Artillerie alle Mängel zu. Bald kam man so herab, daß man schon alte Vorderlader-Geschütze und Berdangewehre brauchte. Während wir solche Beschönigung nicht gelten lassen, muß man dagegen in Anschlag bringen, daß bereits die Hälfte aller gegen uns vorbewegten Aktivtruppen verloren ging und der Großfürst seine Reihen mit jungen Rekruten füllte, die man in dicken Kolonnen zusammenhalten mußte. Deutscherseits brach aber selbst im L. St. die altgermanische Kriegertugend hervor. »What's bred in the bone« sagt englisches Sprichwort.
V. Warschau–Iwangorod
Hindenburg operierte wiederum durchaus auf innerer Linie von Czenstochau her in die rechte Flanke der gegen Krakau aufmarschierten russischen Hauptmacht. Deren Rechte mußte eiligst über die Weichsel ausbiegen. Ludendorff befaßte sich schwerlich je mit unserer Abwehr der Moltkeschule, doch handelte so, als wollte er unserer Theorie zum Siege verhelfen. Begreiflicherweise, weil ein geborener Feldherr keiner Belehrung bedarf, sondern instinktiv auf den Bahnen Friedrichs und Napoleons wandelt. Der völlig unter dem Begriff innere Linie fallende Warschaustoß aufs Zentrumherz hatte daher die natürlichen Folgen strategischer Herzlähmung auf den Feind. Wiederum ist nicht mißzuverstehen, daß Ludendorff die Schlacht Warschau–Iwangorod als zentralen Durchbruch auch taktisch anlegte. Wie damals die Anmarschrichtung 17. K. über Lötzen, 20. K. über Angerburg klärte, daß nicht Einwirkung äußerer Umfassung über Goldap, sondern Zentrumstoß vorschwebte, so waren hier die drei Kolonnen strahlenförmig auf Warschau gerichtet und der Flügelstoß auf Iwangorod im Grunde ein Scheinmanöver.
Wir möchten als Grundregel dieses Kriegskünstlers die innere Umfassung entdecken, gleichgültig ob er sich dabei mit Systemen herumschlug oder rein freischöpferisch handelte. Als am 11. September Francois und Reiterei den Rückzug östlich und nordöstlich verlegten, hätte ein Gewaltstoß mit großen Kräften den Ring wohl gesprengt, zumal wenn die Grodnoarmee nach Norden abschwenkte. Da sie in rückwärtiger Flanke des 1. K. stand, so ist von Einkreisung hier überhaupt keine Rede. Deutlich wird also, daß die sogenannte Flügelumfassung, als innere gedacht, nur dazu diente, den Feind zu verwirren, so wie sich bei Tannenberg die endliche Umzingelung nur durch schlaffe Unfähigkeit des Gegners ergab. hätte aber Rennenkampf das 1. K. weggedrückt, so konnte dies nur mit großem Zeitverlust geschehen, den Abzug von Mitte und Rechte so lange verzögernd, daß die inneren Umfassungen des 17., 11. K. erst recht ausreiften. Da die russische Rechte zunächst abmarschierte, wäre die Mitte bei Darkehmen–Insterburg rettungslos zusammengepreßt worden, da dann Below und Gallwitz rasch vorgekommen wären. Das sind Folgen, wie nur ein Zentrumstoß sie ermöglicht, in schreiendem Gegensatz zum Moltkesystem, mit dem sämtliche Kampfhandlungen Ludendorffs nicht die leiseste Ähnlichkeit haben, eher eine entfernte mit Napoleons Wagram.
Jener Gedankengang, wie er in Schlichtung seine Fieberkrise erlebte, brachte mit sich, daß man geflissentlich die Wagramschlacht falsch las, um sich für Moltke auf Napoleons Vorbild zu stützen oder gar Erzh. Karl als Gründer der modernen Schule anzupreisen. Diese unglaubliche Fälschung des historischen Verlaufs ist freilich österreichischerseits systematisch betrieben worden: Abbrechen um 2 Uhr,
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