Bismarck 04
leisteten sie, so mochte es scheinen, insofern einen Dienst, als diese sich nun nicht mehr beim Friedensschluß um die bulgarischen Forderungen an Serbien und Rumänien, sogar an die Türken, mit denen sie wegen Adrianopel sich schon in den Haaren lagen, zu bekümmern brauchten. Gefrässiger Größenwahn und nachher feige Nachgiebigkeit. Faßt man in jener Zeit das Endergebnis des Weltkriegs im Balkan ins Auge, so blieb Österreich nicht länger vor den Begehrlichkeiten der Serben und Rumänen gesichert. Doch wenn die deutschen Erfolge des Brester Friedens auch äußerlich wegfielen, so hatte Deutschland sich doch für lange seines gefährlichsten Nachbarn, des vereinten Russenreichs, entledigt. Ebenso schienen Frankreich und Belgien auf Menschenalter außer Stand gesetzt, gegen Deutschlands Sicherheit zu konspirieren, so schmerzlich dies Aufgeben aller errungenen Vorteile und der früheren Reichsgrenze empfunden wurde! England war zwar nicht tödlich, aber schwer verwundet, seine Handelsflotte halb ruiniert, so daß es endlich eine Vorstellung von der wahren deutschen Macht bekam. Auch Amerika verlor den Milliardenprofit seiner Neutralität und hatte genügend Einbuße erlitten, während Wilsons Autokratie den Samen grollender Zwietracht säte. So furchtbar daher die Leiden der Mittelmächte gewesen sind, hatte der Weltkrieg doch den Horizont erhellt, nicht mehr drohte wirkliche Zerschmetterung. Wenn man nach Heldentaten, wie sie die Geschichte niemals sah, zuletzt einen unglücklichen Frieden schloß, so war doch Deutschlands Prestige gewachsen und ihm blieb endlich freie Hand, sich wirtschaftlich wieder aufzubauen. So schien es noch bei Jahresschluß. Doch »es kommt immer alles anders«, noch war der Kelch nicht zur Neige gelert. –
Nachdem Bulgarien kapitulierte und die Österreicher Serbien räumten, rückten die Alliierten ziemlich langsam vor und wandten sich zunächst gegen die Türken, die mittlerweile außer Damaskus auch Beirut und Aleppo verloren und Baku wieder verließen. Sie und Österreich machten Sonderfriedensangebote, da Deutschland selber sich mit Waffenstillstandsvorschlag an Wilson wandte, den dieser zögernd und mit Klauseln grundsätzlich gewährte, jedoch die Ausführung an den alliierten Kriegsrat verwies. Ehe dieser harte Bedingungen formulierte, focht man immer noch heftig an der Westfront. Die Armeen des Kronprinzen gingen nur sehr langsam zurück, Hutier focht standhaft nördlich Hirson, erst später nacheinander mußten Cambrai, Douai, Valenciennes geräumt werden. Armin verließ still die Yser und zog sich auf Kortryk sowie auf Antwerpen zurück, nachdem die Alliierten mit schweren Kämpfen bei Menin, Roulers und leichter bei Ostende deutsche Nachhuten vertrieben. Die neue deutsche Linie lag hinter Schelde und Sambre und es waren östlich noch starke Verteidigungsstellungen zwischen Maubeuge und Metz zu überwinden, falls die Alliierten den Krieg fortsetzten. Am 1. Oktober ließ L. dem Reichskanzler melden, daß er die Front schwerlich mehr halten könne, am 8. widerrief er wieder. Die Oktoberschlacht strafte ihn Lügen, der Kronprinz stand unverletzt, die Nordfront schien sich zu festigen. Fochs Kraft war ausgepumpt, nur die transatlantische Quelle sprudelte. Dies deutsche Heer zeigte sich noch ungebrochen, besonders zeichneten sich in Französisch-Flandern das 6. Garde, 118. hessische Regiment sowie die 142. Division aus, auf der sonstigen Front das 8. brandenburgische 53. westfälische Rgt. So kam der 1. November heran, ohne daß der Rückzug irgendwo hätte gestört werden können. Im Norden fielen in den letzten sechs Wochen nur 30 000 Gefangene den Alliierten zu, die Beute an Geschütz (dazu 1200 Maschinengewehre) soll beträchtlich gewesen sein. Da Ludendorff aus politischen Gründen seinen Abschied nahm und bei plötzlicher Demokratisierung der gesamten Reichsverfassung die Zivilbehörden des Reichstags die Aufsicht über das Militärische mit übernahmen, so hörte man nicht auf den Wunsch vieler Generale, den Krieg bis aufs äußerste fortzuführen, und unterwarf sich den übermütigen Forderungen des Feindes: Räumung von Nordfrankreich, Belgien, Elsaß-Lothringen, Besetzung von Metz und Straßburg durch französische Truppen, allgemeine Entwaffnung. Auch letzterer ganz unannehmbarer Bedingung fügte sich Michel, von Pazifistenphrasen umnebelt.
Auf Österreich, das ein falsches Spiel beginnen wollte, brauchte man gottlob keine Rücksicht zu nehmen, es zerfiel in
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