Bismarck 04
sich selber und die schwarzgelbe Clique stand mit leeren Händen da. Ungarn erklärte sich selbständig, die Tschecho-Slowaken desgleichen (10 Millionen mit Hauptstadt Prag), Slavonien-Kroatien begann mit Plündern, Sengen und Brennen das Südslavische Reich zu gründen, das sich mit Dalmatien, Bosnien und sodann Serbien zusammenschließen sollte. Es ließ sich indessen vorhersehen, daß Kroaten und Serben sich nicht so brüderlich verstehen würden, wie es theoretisch aussah, da im Grunde von »gleicher Rasse« nur in sehr weitem Sinn geredet werden kann und als Hauptstadt des neuen Reiches doch eher Agram als Belgrad zu wählen war. Die Deutschösterreicher, Wien an der Spitze, wobei die Deutschböhmen sich sofort als eigene losgelöste Provinz zu konstruieren wünschten, beschlossen Aufgehen ins deutsche Reich. Im Grunde konnte Österreichs Zerfall, das unter dem erzklerikalen und nichts weniger als deutschfreundlichen Kaiser Karl ein sehr unsicherer Kantonist geworden wäre, Deutschland nur recht sein. Keins der neuen slavischen Staatsgebilde konnte gefährlich werden, Ungarn war nun erst recht auf spätere Anlehnung an Deutschland angewiesen, Deutschösterreich bot neuen Machtzuwachs. Dagegen belasteten die unverschämten Forderungen der Polen, die so ihren Dank für Befreiung vom Russenjoch abstatteten, sehr hart die Nordmarken. Und es kam alles noch schlimmer als man damals glaubte, jeden Pessimismus überholte noch die Entwicklung zu allgemeinem Ruin.
Seit 1. November, wo die Alliierten auf der ganzen Linie sich bei langsamem Vordringen blutige Köpfe holten, kam es zu neuen Kämpfen Belows westlich der Schelde und der 2. A. südlich Valenciennes, Armins bei Deynze, Zoneghem usw., wobei das 80. hessische und 57. Rgt. sich auszeichneten. Später hielten Badenser und 71. Art. den Gegner auf. In den heftigen Kämpfen nördlich der Aisne hielten, wie früher vornehmlich die Mecklenburger Brigade, 75. Hanseaten, jetzt 70. R. und 230., 231. R. der 50. R. Div. stand. Auch die Schleswig-Holsteiner der 18. Div., Teile des pommerschen, schlesischen, Posener Korps verwehrten den Amerikanern das Verfolgen. Westlich davon in der Linie nördlich Guise kämpften die Brandenburger erfolgreich, besonders 24er, sowie Bayern und das seit Anbeginn in Rußland fechtende 93. Reserve. Doch war alles umsonst, die soziale Revolution untergrub die letzte moralische Widerstandskraft, die Waffenstillstandskommission willigte kläglich in verschärfte Bedingungen: Besetzung der Rheinufer mit Jülich, Köln, Düsseldorf, Koblenz, Mannheim, Mainz, der Pfalz. Man mußte sich mit Protesten begnügen, als die Franzosen alle Vereinbarungen über Unbelästigung der Reichsdeutschen im Elsaß brachen und ihre Ungebühr auf Saarbrücken ausdehnten, das sie gleichfalls annektieren wollten. Militärisch war so schmachvolle Nachgiebigkeit noch keineswegs geboten, doch die vaterlandslosen »Unabhängigen« und der teilweise Nahrungsmangel (lange nicht so groß wie in Österreich) brachen den Willen. Man ließ sich apathisch alles gefallen, auch die wahnwitzigen Entschädigungsansprüche. Was den sozialen Umsturz erklärt und rechtfertigt, gehört hier nicht zur Sache. Noch sind die Akten nicht geklärt, ob Ludendorff oder, wie er sagt, nur die Berliner Regierung jeden Verzichtfrieden hintertrieb, statt im Mai, wo die Aktien noch scheinbar günstig standen, unter allen Umständen Frieden zu schließen. Schon Rücksicht auf Österreich, das längst am Rande seiner Kräfte war, hätte dies geboten. Einen besonderen traurigen Eindruck machte die Flucht des Kaisers nach Holland, der alles im Stich ließ und hiermit sinnbildlich Deutschlands Niederlage besiegelte.
Bis 11. November erreichte der Feind folgendes: Er überflügelte am 25. Okt. die schwache 4. A. bei Gent, sie zog über Oudenarde ab, wo sie einst zur Ypernschlacht auszog. Wahrscheinlich hätte sie Antwerpen geräumt und sich zwischen Lüttich und Namur aufgestellt, diese beiden Türpfosten umzurennen wäre der Feind kaum im Stande gewesen. 6. 17. A. konnten zuletzt die Linie Tournai–Valenciennes nicht halten und gingen gleichfalls auf die Maas zurück. 2., 18. A. hielten sich zwischen Landrecies und Guise. 1., 3., 8., 11. A. hielten die Argonnen bis Consenvoye und weiter südlich die Mosel vor Metz. Die ganze Aufstellung glich derjenigen am Ende des ersten Kriegsmonats. Die Entente hatte also genau 50 Monate gebraucht, um die so lange Frankreich peitschende deutsche Sturmflut
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