Bismarck 04
bis in Nähe der deutschen Grenze einzudämmen. Konnte das Spiel von damals neu beginnen? Gewiß nicht, die Angriffsfähigkeit des deutschen Heeres war nun endlich gebrochen. Darüber kein Zweifel, doch daß »unsre ganze Südfront in Trümmern lag«, übertreibt ein gewisser deutscher General. Man hätte Metz und Diedenhofen trefflich verteidigen können, doch General Gröner, der den ausscheidenden Ludendorff ersetzte, räumte auch diese Punkte, und man ging am 11. Nov. auf den schimpflichsten Waffenstillstand ein. Um dies militärisch zu begründen, munkelt Buat von bevorstehendem Angriff 30 französisch-amerikanischer Divisionen zwischen Nomeny und Marsal gegen die Flanke der neuen Verteidigungslinie und dem unfehlbaren »Untergang« der Deutschen, »in dem Paß (?) zwischen Aachen (?) und der Mosel«. Was ist das für ein Paß? Wenn die Verbündeten zwischen Givet und Consenvoye standen, hatten also die Deutschen sowohl Argonnen als besonders die hier viel genannten Ardennen schon hinter sich, für Aachen lies aber richtiger Lüttich, dessen Forts doch sicher den Übergang gedeckt hätten, ebenso die von Namur. Immerhin ist fraglich – darin pflichten wir den Ludendorffeinden bei –, ob weiterer Widerstand sicheren Erfolg gehabt hätte. Aber es mußte versucht werden, zum Waffenstrecken blieb immer noch Zeit und Schlimmeres als die spätere Besetzung des Rheinlandes konnte auch so den Deutschen nicht zustoßen. Ein weiterer Zeitgewinn von 3 Monaten wäre aber sehr ins Gewicht gefallen, da die Ententevölker die Sache satt waren und Wilson wußte, daß er seinen Landsleuten nicht zu große Opfer zumuten dürfe.
Ein Punkt wird ganz übersehen, nämlich die wirklich »ungeheueren« Ententeverluste. Verlor Deutschland wirklich 6 Mill. inkl. 900 000 (?) Gefangene, was wir bezweifeln – vermutlich alle an Krankheit Gestorbenen bei allen zu irgendwelchem Etappendienst Eingezogenen mitgerechnet, als ob nicht in jedem Friedensjahr gleichfalls sehr viele Männer stürben –, dann müßte freilich 1918 sein Verlust größer gewesen sein als in jedem anderen Kriegsjahr, er war es offenbar nur an Gefangenen und Überläufern. Kein Zweifel besteht aber über den riesigen Verlust der Verbündeten. Das beste Beispiel bieten die Amerikaner, die schwerlich mehr als 400 000 ernstlich ins Feuer brachten und doch über 200 000 Tote und Verwundete offiziell angaben, obschon sie erst seit Juli stärker mitfochten und nicht oft an Brennpunkten. Es läßt sich daher vermuten, daß Briten und Franzosen allermindestens 50 % der Masse verloren, ein Blutvergießen, wie es in solchem Umfang wohl niemals sonst vorkam. Nun wohl, wer wird glauben, daß nach solchem beispiellosem Aderlaß sie noch in der Lage waren, den Krieg mit gleicher Energie fortzusetzen! Nehmen wir an, der deutsche Verlust habe 1918 inkl. Gefangenen 1 Million betragen, so verloren die Verbündeten sicher nahezu 2 und trotz der amerikanischen Aufschüttung hatten sie schwerlich noch zwei Millionen im Felde gegen fast eben soviele Deutsche, falls man den noch verfügbaren Ersatz einreihte. Nun sagt man ja freilich, doppelt so viel Amerikaner hätten gekämpft. Gut, aber »200 000« Verl. ist eben auch falsch bei zugestandenen 70 000 Toten , was nach normaler Schätzung 1:4 genau 350 000 t. u. verw. ergibt, d. h. 40–50 % in wesentlich nur 4 Monaten, so daß die Briten und Franzosen in 9 bei meist schwereren Kämpfen sogar über 50 % verloren haben müssen. So bleibt in jedem Fall unsere These bestehen: Der Feind war so geschwächt, daß bei reinem Verteidigungskrieg die Kräfte sich ausglichen, selbst wenn die transatlantischen Transportziffern nicht auf Humbug beruhen.
Wie verlief nun der letzte Kampf nach deutscher Darstellung? Wir verfolgten unsern Rückzug Schritt für Schritt, damit klar werde: der Feind brauchte 3 Monate, uns aus einem Gebiet zu verdrängen, das wir im wesentlichen (Douai–Cambrai–Vapaume–St. Quentin–Ch. Thierry–Reims–Argonnen) einst binnen acht Tagen gewannen. Wenn man aber die Chronik deutscher Mannestaten berührt, so darf andererseits nicht vergessen werden, daß die Truppen sich verschieden hielten, neben Bewundernswertem auch Unwürdiges genug vorfiel. Daß Propaganda von innen und außen mitsprach, darf man nicht in Abrede stellen. Wer die schlaffe oder direkt pflichtlose Haltung vieler Leute verschweigt, den verweisen wir darauf, daß dies trostlose endlose Weichen in einem solchen Sieg gewohnten deutschen
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