Bismarck 04
taktisch gearbeitet, nicht strategisch. Verärgert und herabgestimmt durch Verwerfung seiner genialen Vorschläge im Osten, trat Lud. sein höheres Amt an. Konnte er im Westen ähnliche Entschlüsse fassen? Das Leitmotiv »nach Calais«, das einst beim Wettlauf nach dem Meere mitspielte, ließ man fallen, wollte der Küste auf anderem Wege über Zypern beikommen, ließ aber auch dies bald außer Acht, als taktisch dort nicht alles nach Wunsch ging. War es da angebracht, es bei Kriegsende wieder aufzunehmen, mit der Losung »nach Boulogne«? Man sollte denken, Armins Zurücktreibung bis Roulers wäre für unsere Verbindungslinien so bedenklich gewesen, daß es Umgruppierung größter Kräfte dorthin gebot. Doch man ging so ganz im technischen Stellungskrieg auf, daß man sich nur noch in praktischen Lokalerwägungen bewegte wie denen, daß im Frühjahr der Boden aufgeweicht sei! Aus der Not des Augenblicks geboren, durch Technik erfinderisch großgezogen, schaufelte die Erstarrung des Grabenkrieges das Grab der deutschen Obermacht. Denn über Material und Technik gebot der Gegner ja erst recht, aufgefüttert mit einer schon 1913 an England verbrieften Munition der Neuen Welt contra »Kaiserei«. Dies untergrub die qualitative Überlegenheit unseres auf Angriff geschulten Heeres und die Großmeister des Bewegungskriegs im Osten suchten sich von passiver Lethargie zu befreien. Sie deshalb der »Büffelstrategie« zu beschuldigen, ist töricht, noch törichter die kritiklose Nörgelwut, die der Deutsche für seinen geistigen Vorzug hält, als ob Lud. für Dinge verantwortlich sei, die er vorfand. Nicht seine Offensive ist tadelnswert, nicht sein Erziehen der Eingreifdivisionen, sondern die taktischen Gelegenheitserfolgen nachjagende Art. Durch unzulängliche Anordnungen, wonach immer nur eine Gruppe von 2–3 Armeen attackierte und dann die anderen stillagen, verschaffte er dem Kronprinzen, der nach Südwest die einzigen wirklichen Erfolge errang, im Südost zuletzt eine peinliche Niederlage. Für diesen Vielgehaßten brechen wir daher nochmals die Lanze.
Als des Kriegsbeginnes Blütenträume nicht reiften und man sich erst zu Neujahr wieder Verdun auf 15 km näherte, um schwere Kaliber in Stellung zu bringen, befand sich der Kronprinz in schwieriger Lage. An den Argonnen lag der Feind geborgen in seinen Schlupfwinkeln, während die 3. A. alle Ungunst rauhen Bodens und Wetters ertrug. Jede Jagdhütte diente zu Verteidigungszwecken, oft begegnet man in V. L. dem Pavillon la Chasse oder dem Hubertuspavillon. Dreifache Schanzgürtel, angelegt nach Bedarf kreuzweiser Bestreichung, untereinander verbunden, unterirdische Höhlenwerke – solche Meisterstellungen schreckten des Kronprinzen Württemberger und Lothringer nicht ab, nachdem sie selber 10 Monate lang wütende Anstürme abschlugen, bis der Feind nach ungeheuerem Verlust verzichtete. Schon dies musterhafte Verteidigungssystem rechnete in steter Beweglichkeit mit eigenen plötzlichen Ausfällen und nun raubte eine Reihe glänzender Vorstöße dem Feind seinen ganzen Schutzwall der Argonnen. Infolge örtlicher Lage bog sich unsere Nordargonnenstellung, deren man zur Behauptung der Maas bedurfte, am meisten rückwärts, bot also dem Feind die Möglichkeit, hier eine Feile an unsere Frontkette anzukratzen und bei Gelingen des Durchbruchs sich am schnellsten auf unsere Verbindungslinien zu werfen. Richtig betont General Buat: was wohl geschehen wäre, wenn die Franzosen im Besitz der Nordargonnen sich auf Mezières richteten, dem Verbindungsknoten für Etappen der 5., 3. A. Daher spornte Joffre immer wieder Sarrail und Langle (Gérard), keine Opfer zu scheuen und dort den Ring zu sprengen. Stets versuchten sich zwölf fr. D. an dieser Aufgabe gegen höchstens sieben des Kronprinzen, manchmal nur fünf, die dauernd Oberhand behielten und zuletzt völlig triumphierten. Als diese Fahnen auf den kahlen Festungsrücken von Maria-Therese und Totes Mädchen wehten, hatte der Kronprinz in düstrem Waldschatten der Argonnen, unbeschienen vom Reklamelicht der Fama, vollwichtigen Lorbeer gepflückt. So überlegt war seine Kraftverteilung, daß er drei schlesische Regimenter nach Sillery in Einems rechte Flanke, dann wieder drei in dessen linke Flanke der »Winterschlacht« senden und sie auch in der Herbstschlacht mit Kräften decken konnte, ja sogar dauernd die Schlesier nach Arras und Somme auslieh, auf seiner festen Front entbehrlich geworden. Diese Festigkeit und seine
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