Bismarck 04
Flankenecke Vauquois–Avocourt legte ihm nahe, Wegnahme Verduns Weihnacht schon 1915 vorzuschlagen. Die große Champagneschlacht hatte er am Entscheidungsflügel mit Ruhe geleitet, sie zu relativ günstigem Abschluß gebracht. Daher konnte nur Unkenntnis es als höfischen Bückling ansehen, daß man ihm den Oberbefehl der größten bisherigen Unternehmung übertrug. Größere Taten vollbrachte das Heer unter Hindenburg im Osten, gediegenere aber nie als das schrittweise Näherrücken an die Maasveste, wo eine Schanzkette nach der anderen fiel. Nie stockten Frankreich so Atem und Herzschlag, man lächelt, wenn auch Buat die Verdunhandlung nur als ungeheueren Fehlschlag auffaßt. Als ob man nicht wüßte, daß Verduns Fall bestimmt erzwungen worden wäre, wenn nicht die Sommeschlacht zuletzt diese Kraft zersplitterte! Daß es nicht dazu kam, war einzig Falkenhayns Schuld, der nicht rechtzeitig unbeschäftigte Teile hierher schob und zwar ans West- statt Ostufer, was in Verbindung mit Drohung aus Mihiel noch vor Toresschluß Anfang Juni den Feind zum Abzug genötigt hätte. Daß man die Initiative an sich riß, war nach der starren Defensive des Vorjahres eine Erlösung, daß die Offensive nicht den richtigsten Punkt der langen Front wählte (nämlich an der Lys), belastet nur Falkenhayn. Auch lehrt unsere Verlustuntersuchung, daß die Verdunschlacht in keinem Monat größere Einbuße brachte, als sonst in Champagne- und Arrasschlachten oder jetzt an der Somme, ein Beweis vorsichtigen Maßhaltens. Lediglich durch zeitliche Länge wuchs der Gesamtverlust erschreckend, blieb aber weit unter Zermürbung der feindlichen Hauptmasse bei aller Kühnheit siegreichen Vorgehens, nicht leidender Abwehr. Anwürfe Unwissender und Böswilliger gegen dies schneidige Verfahren, das eine riesige Übermacht (74 gegen 35 Div.) an Verteidigungszwecke fesselte, verachten wir daher. Tadel verdient nur die O. H. L., die sich auf Großzügiges einließ, ohne ihm strategisch gewachsen zu sein, oder vielmehr das Verdunproblem ursprünglich überhaupt nicht als etwas Großzügiges, sondern bloßes taktisches Versuchskaninchen anfaßte. Der strategischen Gedankenlosigkeit der O. H. L. gehorchte der Kronprinz einfach als Soldat und man staunt, wie viel er trotzdem erzwang. Auch in den kritischen Tagen erster Ordnung 1917 hatte er den schwersten Posten, die heftigsten Angriffe von der Aisne bis zur Maas richteten sich gegen ihn und brachten dem Feind den verhältnismäßig geringsten Erfolg. 1918 führte er die zwei schärfsten erschütterndsten Stöße, wie ja schon im August 1914 die 5. A. am großzügigsten rang. Kann dies alles Zufall sein? War es Liebedienerei, daß es seit 1916 fortan nur zwei Hauptfronten »Prinz Rupprecht«, »Deutscher Kronprinz« gab? Wir haben nur ein Amt und keine Meinung, voraussetzungslose Geschichtsschreibung hat die Pflicht, Wahrheit zu bekennen und Zeugnis abzulegen.
Zum eisernen Bestand demokratischer Legende gehört, sich gegen fürstliche Heerführer zu empören. Prinzen dürfen so wenig Talent haben wie Junker, die natürlich nur durch Protektion zu ihren Posten gelangen. Doch wenn Scharnhorst ein Bauernsohn und der angeblich adlige Gneisenau von ebenso zweifelhafter Herkunft wie der erzreaktionäre York, waren darum der alte Junker Blücher und der altadlige Bülow minder famose Kerle? Oder wenn die Chlam-Gallas als erbliche Heerverderber galten, war deshalb der bürgerliche Mack weniger ein Trottel? Oder erwarben sich die Stadion in Wien und die Landwehrgründer Dohna in Ostpreußen minder volkstümliches Verdienst, weil sie Grafen waren? Weil Derfflinger ein Schneidergeselle war, blieb deshalb der unvergleichlich bedeutendere Wallenstein minder ein Edelmann? Nichts komischer als die Niederlage von 1809 den fürstlichen Korpschefs aufzuhalsen. Nicht nur die gepriesenen Liechtenstein und Hohenzollern, sondern auch der geschmähte Fürst Rosenberg handhabten ihre Truppen besser als der nach Aspern »beurlaubte« Hiller, dem man wegen niederer Herkunft alle Lorbeeren zuschob und dessen »Relation« durch hündischen Byzantinismus von den vornehm ruhigen Berichten der Fürsten absticht, die mit Noblesse absichtlich ihre bürgerlichen Offiziere hervorgehoben. Alle bürgerlichen Minister Österreichs von Thugut bis Bach waren unfähiger als die Hochgeborenen Kaunitz und Metternich. Weil ein Fürst Hohenlohe und ein Herzog von Braunschweig uns Jena und Auerstädt bescheerten, darum machte ein anderer Hohenlohe
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