Bismarck 04
Frontoffiziere und Tapferkeit ist erblich in der Rasse, man denke nur an den Heldenprinzen August der Befreiungskriege und die ruhige Todesverachtung Friedrich Wilhelms III., zuguterletzt war Prinz Heinrich, des großen Königs böser Bruder, auch nicht von schlechten Eltern. Heute beim Exil der Hohenzollern würden sich die derbsten Schwindeleien hervorwagen, daß der Kronprinz eine Null und ein großer Unbekannter sein Berater gewesen sei. Daß dies ausblieb und der Haß sich nur an Skandalhistörchen über seine angebliche Liederlichkeit ergötzte, ist ein Prüfstein für die Hoffnungslosigkeit einer Kritik, die vermutlich alle Wissenden mit Hohnlachen begraben würden. Man verstehe recht: Wir zerstören nur alberne Märchen von Unfähigkeit aller Prinzen und Junker, unser Wahrheitsuchen hat keinen politischen Beigeschmack. Wir halten uns als Historiker an Tatsachen und verhehlen nicht, daß seine Bücher, seine höchst vernünftigen Interviews mit dem Amerikaner Wigand und der erstaunliche Brief an den Kaiser mit dem Leitsatz: »Mag die Monarchie zum Teufel gehen, wenn nur Deutschland gerettet wird«, durchaus zu dem Bilde passen, das kluge Anhänger von ihm entwerfen. Der letzte Hohenzoller ist ein beklagenswertes Opfer, mancher frühere Auswuchs vielleicht durch Niederdrückung von seiten des Potsdamer Roi-Soleil zu erklären. Thronfolger scheinen in Preußen eine erblich belastete Rolle zu spielen, man täuscht sich immer in ihnen.
Wir sagen: Republik oder Monarchie ist gleichgültig, wenn nur Deutschland gerettet wird. Das neue System lobe, wer, dadurch persönlichen Vorteil ergattert, doch es hat scheinbare Vorzüge vor jenem alten, das man als Vorbild aller Vortrefflichkeit pries. Konflikt zwischen Ludendorff und dem Kronprinzen scheint letzteren als den Humaneren, Demokratischeren auszulösen, und daß jener Konflikt bestand, zeigt, daß der militärische Diktator ihn fürchtete. Übrigens durfte man einen Anerkennungsbrief des lobkargen Lud. abdrucken, mit dem er sich oft überwarf. Täuschen wir uns, so täuschen eben die Tatsachen. In allem Gegensatz seines Vaters, erscheint der bescheidene und persönlich furchtlose Thronfolger auch in Bruchmüllers Artilleriebuch als besonders rührig und verständnisvoll voll besonderem Pflichtgefühl. »Falle ich, ersetzt mich eben ein Anderer.« Hut ab! So dachte sein Ahne, dessen ergreifende Selbstnichtachtung sich doch wahrlich mit höchstem Genius paarte. Jedenfalls sprechen wir den Kronprinzen, der die Opfer vieler Divisionen beklagte und von Draufgängerei so wenig wissen wollte wie von Drangsalieren der Mannschaften, von jeder Schuld am militärischen Zusammenbruch frei. –
Es ist unwahr, daß Ludendorffs Offensivpläne an und für sich besonnener Absicht entbehrten, nur Ausführung und Augenmaß falsch. Sträflich unverständigen Hochmut, der ihn kitzelte, das alte Marneschlacht-Bild heraufzubeschwören, könnte nur schwarzgallige Parteilichkeit ihn vorwerfen. Im Gegenteil vermissen wir bei ihm die unbändige Einseitigkeit eines Foch, sein Wille schwankte zwischen zu hoch gesteckten Zielen und schwächlichem Zaudern. Unser Blick schweift zum Kriegsanfang zurück, findet unverändert gleiche Symptome des gleichen Systems. Ihm verdankt man auch den unleugbaren moralischen Zusammenbruch des bis zuletzt dienstlich und politisch schikanierten Volksheeres, wir mögen dies unliebsame Kapitel nicht erläutern. Daß dem so war und jede Abstreitung irrt, zeigt die plötzlich ungeheure Zahl von Gefangenen, meist Überläufern und willenlos sich Ergebenden.
Staunend wie nach der Marneschlacht sah der Feind unserer Selbstentwürdigung und Selbstzerfleischung zu, ihm konnte es ja recht sein. Die Rheinlande schonen? Jeder brave Rheinländer seufzt heute: lieber Kriegsverheerung, als was wir nachher im »Frieden« durchmachten! Möglich, daß Kämpfen aussichtslos war wegen Wilsons Waffengang, dem Hauptschuldigen an unserm Verderben. Doch ein altes Sprichwort weiß: Wer sich wehrt, behält sein Pferd! Der Militarismus fragte nachher spöttisch, was Gambettas viermonatlicher Widerstand nutzte nach vierwöchentlicher Zerreibung der Berufssoldateska. Erstens, daß der Sieger nicht noch härtere Bedingungen auferlegte, wozu Moltke willens war, zweitens, daß Frankreich mit Ehren erlag und sich so die Weltsympathie sicherte. Deutschland erlag mit Unehren, denn daß der größte Heldenkampf der Weltgeschichte voraufging, vergaß bald das kurze Gedächtnis der
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