Bismarck 04
ebenso im eigenen Besitz.
Jede deutsche Fürstenhetze wird sinnlos durch Vergleich mit dem Ausland. Über »Schmach und Schande der Nation« klagte der brave Fürst Anhalt, weil man den romantischen Kaiser Maxel in goldener Rüstung, der für seine Luxuszüge bei allen Welsern und Fugger herumpumpte, zum Gespött machte, doch selbst dieser Ägirsänger des »Theuerdank« machte eine gute Figur als letzter Ritter neben schmutzigen Despoten der Westvölker. Scotts »Talisman« schildert Leopold, den hochgebildeten Babenberger, als dummen Trunkenbold, den Tiger »Löwenherz« als feinen Kavalier, den rohesten Barbaren. England mußte sich seinen einzigen anständigen König Wilhelm III. aus Holland borgen, Louis XIV. stand eben nur zwischen zwei anderen elenden Louis; Philippe und Karle der Valoislilie erinnerten an Shakesspeares Spruch: »Nichts stinkt so wie verfaulte Lilien«, Edwards und Henrys der Plantagenets, Lancester, York, Tudor zeigten nur Leopardenkrallen. Vom listigen Scheusal Louis XI. sagt Comines, er sei der einzige Fürst, von dem man wenigstens politisch etwas Gutes sagen könne. Nichtsdestoweniger florierte das Volk unter der Monarchie so viel besser als unter ordnungslosem Feudalismus, daß Paris den griesgrämigen Lüdrian Louis XII. zum »Vater des Vaterlandes« ernannte und London den Erpresser Edward IV. hochhielt, Mailand seinen ruchlosen Visconti gern hatte, man hüte sich also, tadelswerte Monarchen mit monarchischem Prinzip zu verwechseln. Einige deutsche Kaiser waren so wenig Mehrer des Reichs, daß Friedrich II. Lübeck und Hamburg den Dänen auslieferte (denen ein kleiner Graf von Schwerin ihren Raub abjagte, so stark blieb noch jedes dezentralisierte Reichsglied), aber außer den Staufen war keiner ein brutaler Gewalttäter wie die Despoten des Westens. Auch erfreute sich Deutschland noch bis ins 16. 17. Jahrhundert so vorzüglicher Kleinfürsten wie den Landgrafen von Hessen und Christoph von Württemberg, und daß hessische und schwäbische Ritterschaft sich treulos erwies und dem bösen Ulrich gerade sein Landvolk Treue wahrte, auch Hipplers »Bauernkonstitution« die Kaiser-Idee verherrlichte, gibt historischen Vermerk, daß monarchisches Fühlen bei uns stets volkstümlich austönte. Es überlebte auch die Paviangalerie jener Fürstlichkeiten, die uns die Denkwürdigkeiten der Schwester Friedrichs des Großen zur Schau stellen, ihr monomanischer Vater offenbarte eine Gorillastärke des patriarchalischen Despotismus. Übrigens gaben auch zu Friedrichs Zeiten einzelne Fürsten wie Ferdinand von Braunschweig und später Goethes Freund Franz von Dessau (sehr verschieden vom Alten Dessauer) ein Beispiel vornehmer Humanität und waren nicht Karl August und Kaiser Josef edle Erscheinungen, Friedrich Wilhelm III. und sein geistreicher Nachfolger, obwohl ihrem Amt nicht gewachsen, wohlmeinend und wohlwollend? War nicht die Weide, unter der Moritz von Sachsen starb, eine Trauerweide für Deutschlands Schicksal, seine Todeskugel eine schwarze Kugel unserer Geschichte? Fürstenhetze ausgerechnet in deutschen Gauen ist eben fremdes Gewächs ohne bodenständige Logik.
Unwissender Hochmut der Westvölker schreibt Geschichte, als ob sie stets allein das Machtschwert schwangen, während England erst seit Elisabeth, Frankreich seit Richelieu entscheidend mitredeten. Bis dahin verödeten Bürgerkriege seit Simon Montford, kommunistische Aufstände, (Wat Tyler unter Richard II., Jack Cade unter Heinrich VI.) England so, daß man auf Meilen keine Menschen traf, wie ein Chronist sagt, und hundertjähriger Hugenottenkrieg nebst englischer Invasion (der »ritterliche« Schwarze Prinz verbrannte mal 500 Dörfer an einem Tage) verzehrten französischen Wohlstand, daneben sind Adolf von Nassaus Verwüstung Thüringens oder die Fehden des bösen Fritz von der Pfalz oder Beutezüge rheinischer und fränkischer Raubritter nur harmlose Episoden, sogar die Verheerung des 30jährigen Krieges scheint übertrieben geschildert, denn nachher hob sich der Steuerzensus. »Deutsche Armut« war immer ein Märchen, deutsche Bauern hatten es besser als englische und gar französische, deren Elend La Bruyère und später Young herzbeweglich schildern, bei uns hatte der Edelmann nicht eigene Gerechtsame und Münzrecht wie die französische Noblesse. Auch in Republiken wie Venedig lastete der Staatsdruck viel härter, Reichs- und Hansestädte genossen mehr Freiheit unter Monarchenschutz, als man es irgendwo kannte
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