Bis(s) 1 - Bis(s) zum Morgengrauen
»Beziehungsweise zuzuhören – du sprichst.«
»Nein!« Ich schnappte nach Luft und musste mich an der Spüle abstützen. Das Blut schoss mir ins Gesicht. Es war mir natürlich nicht neu, dass ich im Schlaf redete; meine Mutter hatte mich oft genug damit aufgezogen. Allerdings hatte ich nicht gedacht, dass ich mir hier deswegen Gedanken machen musste.
Sofort wurde seine Miene bekümmert. »Bist du sauer?«
»Das kommt darauf an!« Ich hörte mich an, als bekäme ich keine Luft, und genauso fühlte ich mich auch.
Er wartete.
»Und worauf?«, bohrte er, als ich nichts sagte.
»Darauf, was du gehört hast!«, sagte ich kläglich.
Geräuschlos tauchte er neben mir auf und nahm behutsam meine Hände in seine.
»Sei mir nicht böse!«, bat er. Er senkte seinen Kopf auf meine Höhe und schaute mir in die Augen. Verschämt versuchte ich seinem Blick auszuweichen.
»Du vermisst deine Mutter«, flüsterte er. »Du machst dir Sorgen um sie. Das Geräusch des Regens macht dich unruhig. Du hast anfangs viel über dein altes Zuhause geredet, aber das hat nachgelassen. ›Es ist zu grün ‹, hast du einmal gesagt.« Er lachte sanft – voller Sorge, mich noch einmal zu verletzen.
»Sonst noch was?«, fragte ich.
Er wusste, worauf ich hinauswollte. »Meinen Namen hast du auch genannt«, gab er zu.
Ich seufzte resignierend. »Oft?«
»Wie oft genau ist ›oft‹?«
»O Gott!« Ich ließ den Kopf hängen.
Zärtlich und ganz selbstverständlich zog er mich an seine Brust.
»Fühl dich nicht bloßgestellt«, flüsterte er mir ins Ohr. »Wenn ich Träume hätte, würden sie alle von dir handeln. Und ich schäme mich nicht dafür.«
Dann hörten wir Reifen auf dem Pflaster der Auffahrt und sahen das Licht von Scheinwerfern in den Flur fallen. Ich verkrampfte in seinen Armen.
»Soll dein Vater wissen, dass ich hier bin?«, fragte er.
»Ich weiß nicht genau …« Ich versuchte die Sache in aller Schnelle zu durchdenken.
»Dann ein andermal …«
Und ich war allein.
»Edward!«, zischte ich.
Ich hörte ein gespenstisches Kichern, dann war alles still.
Der Schlüssel drehte sich im Schloss.
»Bella?«, rief Charlie. Bisher hatte mich die Frage immer genervt – wer sonst! Mit einem Mal erschien sie mir gar nicht mehr so abwegig.
»Hier bin ich.« Ich konnte nur hoffen, dass ihm der hysterische Unterton in meiner Stimme nicht auffiel. Meine Lasagne war mittlerweile fertig; ich holte sie aus der Mikrowelle und setzte mich an den Tisch. Nach meinem Tag mit Edward kamen mir Charlies Schritte im Flur unerträglich polternd vor.
»Kannst du mir auch so einen Teller machen?«, fragte er, als er in die Küche kam. »Ich bin total erledigt.« Er trat auf die Fersen seiner Stiefel, um sie sich von den Füßen zu streifen, und hielt sich dabei an der Lehne des Stuhles fest, auf dem eben noch Edward gesessen hatte.
Ich ging mit meinem Teller zur Anrichte und schlang meine Portion im Stehen hinunter, während ich seine zurechtmachte. Prompt verbrannte ich mir die Zunge. Ich goss zwei Gläser Milch ein, während seine Lasagne aufwärmte, und trank hektisch, um den Schmerz zu lindern. Als ich das Glas abstellte, sah ich, dass die Milch im Glas leicht hin und her schwappte – meine Hand zitterte. Charlie setzte sich; der Kontrast zwischen ihm und Edward war grotesk.
»Danke«, sagte er, als ich ihm sein Essen hinstellte.
»Und, wie war dein Tag?«, fragte ich hastig. Ich konnte es nicht erwarten, hoch in mein Zimmer zu gehen.
»Gut. Die Fische haben gebissen. Und du? Alles erledigt, was du vorhattest?«
»Nicht ganz – es war zu schön draußen, um im Haus zu bleiben.« Ich schob mir eine letzte Gabel Lasagne in den Mund.
»Hast Recht, es war ein schöner Tag.«
Was für eine maßlose Untertreibung, dachte ich.
Dann kippte ich den Rest meiner Milch in einem Zug hinunter.
Charlie verblüffte mich dadurch, dass ihm meine Unruhe auffiel. »Hast du’s eilig?«
»Ja, ich bin müde. Ich geh zeitig schlafen.«
»Du wirkst eher aufgewühlt«, stellte er fest. Das ist doch nicht wahr, dachte ich verzweifelt – musste er ausgerechnet heute seinen aufmerksamen Tag haben?
»Ach, echt?« war alles, was ich erwidern konnte. Ich spülte eilig mein Geschirr ab und stürzte es zum Trocknen auf ein Küchentuch.
»Es ist Samstag«, überlegte er laut.
Ich antwortete nicht.
»Keine Pläne für den Abend?«, fragte er plötzlich.
»Nein, Dad, ich will einfach nur ins Bett.«
»Die Jungs hier sind alle nicht dein Typ,
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