Bis(s) 1 - Bis(s) zum Morgengrauen
und glich dem eines Gepards. Schnell hatte er zu Alice und Emmett aufgeschlossen und überholte sie. Seine Anmut und Kraft verschlugen mir den Atem.
Ich starrte ihm mit offenem Mund hinterher, bis Esmes weiche, melodische Stimme mich aus meiner Verzückung holte. »Wollen wir auch rübergehen?«, fragte sie. Ich riss mich zusammen und nickte. Sie hielt ein paar Schritte Abstand zwischen uns, und ich fragte mich, ob sie wohl immer noch darauf bedacht war, mich nicht zu ängstigen. Scheinbar ohne Ungeduld passte sie ihren Schritt meinem Tempo an.
»Spielst du nicht mit?«, fragte ich schüchtern.
»Nein, ich bin lieber die Schiedsrichterin. Irgendjemand muss ja dafür sorgen, dass es ehrlich zugeht.«
»Heißt das, sie schummeln?«
»Und wie – du solltest sie mal hören, wenn sie sich in die Haare kriegen! Oder vielleicht lieber nicht, sonst würdest du noch denken, sie haben überhaupt keine Kinderstube genossen.«
»Du klingst ja wie meine Mom«, lachte ich überrascht.
Sie lachte ebenfalls. »Na ja, sie sind tatsächlich in vielerlei Hinsicht wie Söhne und Töchter für mich. Ich hab meine Mutterinstinkte nie abgelegt – hat dir Edward erzählt, dass ich mal ein Kind verloren hab?«
»Nein«, murmelte ich erstaunt und versuchte zu begreifen, welches Leben es wohl war, an das sie sich erinnerte.
»Mein erstes und einziges Baby, ein Junge. Er starb wenige Tage nach seiner Geburt.« Sie seufzte. »Es brach mir das Herz – deshalb bin ich auch von der Klippe gesprungen«, fügte sie nüchtern hinzu.
»Oh – äh, Edward hat gesagt, du bist … gefallen«, stammelte ich.
»Durch und durch ein Gentleman.« Sie lächelte. »Edward war der erste meiner neuen Söhne. Obwohl er, auf eine Art zumindest, älter ist als ich, war er für mich immer genau das – ein Sohn.« Sie schaute mich an und lächelte herzlich. »Deshalb bin ich auch so froh, dass er dich gefunden hat, Liebes.« Aus ihrem Mund klang das Kosewort ganz natürlich. »Er war viel zu lange ein Einzelgänger. Es tat mir in der Seele weh, ihn so allein zu sehen.«
»Du hast also nichts dagegen?«, fragte ich zögernd. »Obwohl ich … na ja, nicht die Richtige für ihn bin?«
»Nein.« Sie war nachdenklich. »Du bist es, was er will. Der Rest wird sich irgendwie finden.« Doch ihre Stirn war mit Sorgenfalten überzogen. Es donnerte erneut.
Esme blieb stehen; offenbar hatten wir den Rand des Spielfeldes erreicht. Es sah aus, als hätten sie Teams gebildet. Edward hatte sich als Feldspieler weit draußen auf dem Spielfeld postiert, Carlisle wartete zwischen erstem und zweitem Base, und Alice stand mit dem Ball an der Stelle, die offenbar den Wurfhügel markierte.
Emmett ließ einen Aluminiumschläger durch die Luft schwingen, so schnell, dass man ihn kaum sah. Zuerst fragte ich mich, wann er wohl zum Schlagmal gehen würde, doch dann wurde mir klar, dass er längst dort war – nie hätte ich es für möglich gehalten, dass Pitcher und Schlagmann so weit voneinander entfernt sein könnten. Einige Meter hinter ihm stand Jasper, der zwar in Emmetts Mannschaft war, doch für das gegnerische Team fing, weil sie nur so wenige waren. Selbstverständlich trug niemand Handschuhe.
»Okay«, rief Esme in ihrer klaren Stimme. Ich wusste, dass auch Edward sie trotz der Entfernung hören konnte. Dann gab sie das Kommando: »Play ball!«
Alice stand aufrecht und reglos da. Sie setzte beim Werfen anscheinend eher auf den Überraschungseffekt als auf Einschüchterung. Mit beiden Händen hielt sie den Ball in Hüfthöhe, bis plötzlich ihre rechte Hand hervorschoss wie eine angreifende Kobra und der Ball in Jaspers Hand klatschte.
»War das ein Strike?«, flüsterte ich.
»Wenn bei ihnen der Schlagmann nicht trifft, ist es immer ein Strike«, sagte Esme.
Jasper schleuderte den Ball zurück zu Alice, die sich ein kurzes Grinsen gestattete. Dann schnellte erneut ihre Hand hervor.
Diesmal flog Emmetts Schläger schnell genug herum und traf den Ball mit einem schmetternden, donnernden Geräusch, das grollend von den Bergen widerhallte und mich sofort begreifen ließ, warum sie nur bei Gewitter spielen konnten.
Der Ball schoss wie ein Meteor über das Spielfeld und landete tief im Wald.
»Homerun«, murmelte ich.
»Wart’s ab«, erwiderte Esme. Sie hatte eine Hand erhoben und lauschte angestrengt. Von Emmett war nur noch ein Schweif zu sehen, der ums Spielfeld flog; Carlisle raste ihm nach. Doch wo war Edward?
»Out!«, rief Esme. Ungläubig sah ich,
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