Bis(s) 1 - Bis(s) zum Morgengrauen
vor, heute Abend Wäsche zu waschen – dazu muss ich mich wohl oder übel in Gefahr begeben.«
»Fall nicht in die Maschine«, spottete er.
»Ich tu mein Bestes.«
Dann stand er auf und ich erhob mich ebenfalls.
»Bis morgen«, seufzte ich.
»Es kommt dir vor wie eine lange Zeit, oder?«, fragte er grüblerisch.
Ich nickte bedrückt.
»Bis morgen – ich werde da sein«, versprach er und schenkte mir sein schiefes Lächeln. Er streckte seine Hand über den Tisch hinweg aus und strich mir abermals zart über den Wangenknochen. Dann drehte er sich um und ging. Ich schaute ihm nach, bis er weg war.
Es war eine enorme Versuchung, die verbleibenden Stunden zu schwänzen, oder zumindest Sport, doch etwas hielt mich zurück. Ich wusste, wenn ich jetzt verschwand, würden Mike und die anderen annehmen, dass ich mit Edward unterwegs war. Und Edward war besorgt über die Zeit, die wir in der Öffentlichkeit miteinander verbrachten … für den Fall, dass es ein schlechtes Ende nahm. Ich weigerte mich, den letzten Gedanken in Betracht zu ziehen, und konzentrierte mich einfach darauf, die Sache für ihn sicherer zu machen.
Meine Intuition sagte mir, dass der nächste Tag entscheidend sein würde, und ich spürte, dass er das auch wusste. Unsere Beziehung konnte nicht mehr länger auf Messers Schneide stehen bleiben – sie musste entweder zur einen oder zur anderen Seite kippen, und welche es wurde, hing voll und ganz von seiner Entscheidung ab, oder von seinen Instinkten. Meine Entscheidung war gefällt, sie stand schon fest, bevor ich sie bewusst getroffen hatte, und ich war entschlossen, nicht von ihr abzurücken. Es gab nichts Beängstigenderes, nichts Unerträglicheres für mich als den Gedanken, mich von ihm abzuwenden. Es war schlicht unmöglich.
Pflichtbewusst ging ich zum Unterricht, aber ich hätte nichts darüber berichten können, was in Biologie passierte – meine Gedanken waren viel zu sehr auf den nächsten Tag fixiert. In Sport sprach Mike wieder mit mir; er wünschte mir viel Spaß in Seattle. Ich erklärte ihm, dass ich die Fahrt verschoben hatte, weil ich mir unsicher war, ob der Transporter die Strecke schaffen würde.
»Gehst du jetzt mit Cullen zum Ball?«, fragte er und war plötzlich beleidigt.
»Nein, ich gehe überhaupt nicht zum Ball.«
»Was machst du denn dann?«, fragte er allzu interessiert.
Mein natürlicher Impuls war, ihm zu sagen, dass er sich um seinen eigenen Kram kümmern sollte. Stattdessen log ich fröhlich weiter.
»Wäsche waschen, und dann muss ich für den Mathetest lernen, sonst setz ich den in den Sand.«
»Hilft dir Cullen beim Lernen?«
» Edward «, sagte ich nachdrücklich, »hilft mir nicht beim Lernen. Er ist übers Wochenende weggefahren.« Überrascht stellte ich fest, dass mir das Lügen leichter fiel, als ich das von mir gewohnt war.
»Oh.« Er wurde hellhörig. »Ich meine, du könntest ja trotzdem mit uns allen zum Ball gehen – das wäre cool. Wir würden abwechselnd mit dir tanzen«, versprach er.
Der Gedanke an Jessica ließ meine Erwiderung gereizter klingen als nötig.
»Mike, ich werde nicht zum Ball gehen, okay ?«
»Okay, schon gut.« Er war erneut beleidigt. »War ja nur ein Angebot.«
Als der Schultag endlich vorbei war, ging ich lustlos zum Parkplatz. Ich war nicht gerade wild darauf, nach Hause zu laufen, konnte mir aber nicht vorstellen, wie Edward es bewerkstelligt haben sollte, meinen Transporter zu holen. Andererseits glaubte ich allmählich, dass für ihn nichts unmöglich war. Der zweite Instinkt erwies sich als richtig – mein Transporter stand an derselben Stelle, wo er am Morgen den Volvo geparkt hatte. Ungläubig schüttelte ich den Kopf und öffnete die Tür. Der Schlüssel steckte im Zündschloss.
Auf dem Fahrersitz lag ein gefalteter Zettel. Ich nahm ihn in die Hand und stieg ein, dann faltete ich ihn auseinander. Zwei Worte standen da in seiner eleganten Schrift:
Sei vorsichtig.
Als der Motor des Transporters aufheulte, fuhr mir ein Schreck in die Glieder. Ich musste über mich selber lachen.
Die Tür des Hauses war verschlossen, aber nicht verriegelt, als ich dort ankam – genau wie am Morgen, als wir wegfuhren. Ich schloss auf und ging direkt zur Waschküche. Hier sah ebenfalls alles so aus, wie ich es hinterlassen hatte. Ich wühlte nach meinen Jeans und schaute in ihren Taschen nach. Leer. Vielleicht hatte ich ihn ja doch an den Haken gehängt, überlegte ich kopfschüttelnd.
Aus demselben Instinkt
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