Bis(s) 2 - Bis(s) zur Mittagsstunde
versuchen, dich bald wiederzusehen.« Er seufzte. »Und sie werden versuchen, mir das auszureden.«
»Hör nicht auf sie.«
»Ich geb mir Mühe.« Er schüttelte den Kopf, als zweifelte er daran, dass es ihm gelingen würde. »Komm und sag mir Bescheid, sobald du es rausbekommen hast.« In dem Moment fiel ihm etwas ein, das seine Hände beben ließ. »Wenn du … wenn du willst .«
»Weshalb sollte ich dich nicht sehen wollen?«
Sein Gesicht wurde hart und bitter, zu hundert Prozent das Gesicht, das Sam gehörte. »Da fällt mir schon ein Grund ein«, sagte er schroff. »Jetzt muss ich aber wirklich los. Kannst du mir einen Gefallen tun?«
Ich nickte nur; die Veränderung, die mit ihm vorgegangen war, machte mir Angst.
»Falls du mich nicht wiedersehen willst, ruf mich wenigstens an. Sag es mir, wenn es so ist.«
»Das wird aber nicht passieren …«
Mit einer Handbewegung schnitt er mir das Wort ab. »Sag es mir einfach.«
Er stand auf und ging zum Fenster.
»Sei nicht blöd, Jake«, sagte ich. »Du brichst dir noch die Knochen. Geh zur Tür raus. Charlie erwischt dich bestimmt nicht.«
»Mir passiert nichts«, murmelte er, aber er wandte sich zur Tür. Er zögerte, als er an mir vorbeiging, und starrte mich an, als würde ihn etwas durchbohren. Flehend streckte er eine Hand aus.
Ich nahm seine Hand, und da riss er mich plötzlich so heftig vom Bett, dass ich ihm an die Brust flog.
»Nur für alle Fälle«, flüsterte er mir ins Haar und drückte mich so fest, dass er mir fast die Rippen brach.
»Keine … Luft!«, keuchte ich.
Sofort ließ er mich los und behielt nur eine Hand an meiner Taille, damit ich nicht umkippte. Dann schob er mich, sanfter diesmal, zurück aufs Bett.
»Schlaf jetzt ein bisschen, Bella. Morgen musst du deine grauen Zellen anstrengen. Ich weiß, dass du es rauskriegen kannst. Du musst es verstehen. Ich will dich nicht verlieren, Bella. Nicht deswegen.«
Mit einem Schritt war er an der Tür, öffnete sie leise und verschwand. Ich lauschte darauf, dass er auf die eine knarrende Treppenstufe trat, aber es war nichts zu hören.
Ich legte mich wieder hin. In meinem Kopf drehte sich alles. Ich war zu verwirrt und zu erschöpft. Ich schloss die Augen und versuchte die Zusammenhänge zu begreifen, doch ich sank fast augenblicklich in den Schlaf.
Es war nicht der friedliche, traumlose Schlaf, nach dem ich mich gesehnt hatte – natürlich nicht. Wieder war ich im Wald und streifte umher.
Doch ich merkte bald, dass es nicht der gleiche Traum war wie sonst. Zum einen verspürte ich keinen Drang, fieberhaft nach etwas zu suchen; ich ging nur aus Gewohnheit, weil das von mir erwartet wurde. Nicht einmal der Wald war derselbe. Es roch anders dort, nicht nach dem feuchten Waldboden, sondern nach Meer. Und auch das Licht war anders. Ich konnte den Himmel nicht sehen, doch die Sonne schien wohl – die Blätter über mir waren von einem hellen Jadegrün.
Es war der Wald bei La Push, in der Nähe des Strandes dort, da war ich mir sicher. Ich wusste, wenn ich den Strand fände, würde ich die Sonne sehen, deshalb ging ich schnell weiter und folgte dem schwachen Geräusch der Wellen in der Ferne.
Und dann war Jacob da. Er nahm meine Hand und zog mich zurück in den schwärzesten Teil des Waldes.
»Jacob, was ist los?«, fragte ich. Sein Gesicht war das eines verängstigten Jungen, und seine Haare waren wieder lang und schön, er hatte sie im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Er zerrte mit aller Kraft an mir, aber ich wehrte mich, ich wollte nicht wieder in die Dunkelheit.
»Lauf weg, Bella, schnell!«, flüsterte er voller Entsetzen.
Das Déjà-vu war so stark, dass ich beinahe davon aufwachte.
Jetzt wusste ich, weshalb ich die Stelle kannte. Ich war schon einmal hier gewesen, in einem anderen Traum. Vor einer Million Jahren, in einem ganz anderen Leben. Den Traum hatte ich in der Nacht gehabt, nachdem ich mit Jacob am Strand spazieren gegangen war, in der ersten Nacht, da ich wusste, dass Edward ein Vampir war. Offenbar war der Traum aus den Tiefen meiner Erinnerung wieder hochgekommen, weil ich heute mit Jacob über jenen Abend gesprochen hatte.
Jetzt konnte ich aus einer gewissen Distanz beobachten, wie der Traum ausging. Vom Strand her kam ein Licht auf mich zu. Gleich würde Edward zwischen den Bäumen auftauchen, mit schwach funkelnder Haut und schwarzen, gefährlichen Augen. Er würde mich zu sich winken und lächeln. Er würde so schön sein wie ein Engel, und
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