Bis(s) 2 - Bis(s) zur Mittagsstunde
dich zu denken, damit sie nicht wissen, was los ist. Ich hatte Angst, Sam würde mir verbieten, dich mitzubringen.«
»Das hätte mich nicht zurückgehalten.« Für mich war Sam immer noch der Böse. Sobald ich seinen Namen hörte, biss ich die Zähne zusammen.
»Aber mich hätte es zurückgehalten«, sagte Jacob jetzt missmutig. »Weißt du noch, wie ich gestern die Sätze nicht beenden konnte? Wie ich die Geschichte nicht zu Ende erzählen konnte?«
»Ja. Du sahst aus, als müsstest du würgen.«
Er lachte finster in sich hinein. »Ja. So ungefähr. Sam hatte mir verboten, es dir zu erzählen. Er ist … der Anführer des Rudels, weißt du. Er ist das Alphatier. Wenn er uns etwas befiehlt oder verbietet und es ihm ernst damit ist, dann müssen wir auf ihn hören.«
»Schräg«, murmelte ich.
»Und wie«, sagte er. »Das ist eben typisch für Wölfe.«
»Hm«, machte ich, mehr fiel mir dazu nicht ein.
»Ja, da gibt es eine ganze Menge, was man als Wolf lernen muss. Ich weiß noch lange nicht alles. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es für Sam gewesen sein muss, als er ganz allein damit dastand. Es ist schon schlimm genug, wenn man das durchmacht und dabei ein ganzes Rudel als Unterstützung hat.«
»Sam war allein?«
»Ja.« Jacob senkte die Stimme. »Als ich mich … verwandelt habe, war es das Schrecklichste, das Entsetzlichste, was ich je erlebt hatte – schlimmer als alles, was ich mir hätte vorstellen können. Aber ich war nicht allein – da waren die Stimmen in meinem Kopf, die mir sagten, was passiert war und was ich tun sollte. Sonst hätte ich bestimmt den Verstand verloren. Sam dagegen …« Er schüttelte den Kopf. »Sam hatte keine Hilfe.«
Das änderte einiges. Wenn Jacob die Sache so erklärte, war es schwer, kein Mitleid mit Sam zu empfinden. Ich musste mich immer wieder daran erinnern, dass es keinen Grund mehr gab, ihn zu hassen.
»Sind die wohl sauer, wenn du mich mitbringst?«, fragte ich.
Er schnitt eine Grimasse. »Wahrscheinlich.«
»Vielleicht ist es besser, wenn ich nicht …«
»Nein, das geht in Ordnung«, versicherte er mir. »Du weißt zig Sachen, die uns helfen können. Du bist ja nicht irgendein ahnungsloser Mensch. Du bist so eine Art … ich weiß nicht, eine Spionin oder so. Du warst hinter den feindlichen Linien.«
Ich runzelte die Stirn. Das wollte Jacob von mir? Sollte ich ihnen Insiderinformationen liefern, damit sie ihre Feinde vernichten konnten? Doch ich war keine Spionin. Ich hatte die Informationen nicht gezielt gesammelt. Nach seinen Worten kam ich mir jetzt schon vor wie eine Verräterin.
Aber ich wollte doch, dass er Victoria das Handwerk legte, oder?
Nein.
Natürlich wollte ich, dass ihr das Handwerk gelegt wurde, vorzugsweise bevor sie mich zu Tode folterte oder Charlie in die Klauen bekam oder einen weiteren Wanderer. Aber ich wollte nicht, dass Jacob derjenige war, der ihr das Handwerk legte oder es auch nur versuchte. Jacob sollte nicht mal auf hundert Kilometer in ihre Nähe kommen.
»Wie das mit dem Blutsauger, der Gedanken lesen kann«, sagte er in meine Überlegungen hinein. »So was müssen wir wissen. So ein Mist, dass an diesen Geschichten was dran ist. Das verkompliziert die Sache. Sag mal, glaubst du, diese Victoria hat auch irgendwelche besonderen Fähigkeiten?«
»Ich glaube nicht.« Ich zögerte, dann seufzte ich. »Das hätte er bestimmt erwähnt.«
»Er? Ach so, du meinst Edward – oh, entschuldige. Das hatte ich vergessen. Du sagst seinen Namen ja nicht gern. Und hörst ihn auch nicht gern.«
Ich schlang die Arme um die Brust und versuchte, das Pochen in der Wunde zu ignorieren. »Ja, stimmt.«
»Tut mir leid.«
»Woher kennst du mich so gut, Jacob? Manchmal ist es, als könntest du meine Gedanken lesen.«
»Nein. Ich bin nur aufmerksam.«
Jetzt waren wir auf der kleinen unbefestigten Straße, wo Jacob mir damals das Motorradfahren beigebracht hatte.
»Aber so aufmerksam?«
»Ja, klar.«
Ich fuhr an den Straßenrand und schaltete den Motor aus.
»Du bist immer noch ziemlich unglücklich, oder?«, sagte er leise.
Ich nickte und starrte in den finsteren Wald, ohne etwas zu sehen.
»Hast du nie gedacht, dass du so vielleicht … besser dran bist?«
Ich atmete langsam ein und ließ den Atem dann herausströmen. »Nein.«
»Denn er war ja nicht der beste …«
»Bitte, Jacob«, flüsterte ich. »Können wir bitte aufhören, darüber zu reden? Ich halte das nicht aus.«
»Okay.« Er holte tief Luft. »Tut mir leid,
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