Bis(s) 2 - Bis(s) zur Mittagsstunde
suchen. »Manchmal kann man nicht so, wie man will, weil man Rücksicht auf andere nehmen muss. Manchmal muss man das Geheimnis eines anderen wahren.«
Da konnte ich ihm nicht widersprechen. Er hatte so recht – ich hatte ein Geheimnis, das ich nicht erzählen durfte, das ich für jemand anders bewahren musste. Ein Geheimnis, das er plötzlich zu kennen schien.
Ich begriff immer noch nicht, was das mit ihm oder Sam oder Billy zu tun hatte. Was ging es sie an, jetzt, da die Cullens weg waren?
»Ich weiß nicht, warum du hergekommen bist, Jacob, wenn du mir nur Rätsel aufgeben willst, anstatt meine Fragen zu beantworten.«
»Tut mir leid«, flüsterte er. »Das ist so frustrierend.«
Wir sahen uns lange in dem dunklen Zimmer an, beide mit hoffnungslosem Blick.
»Was mich echt fertigmacht«, sagte er unvermittelt, »ist, dass du es schon weißt . Ich hab dir schon alles erzählt!«
»Wovon redest du?«
Er sog überrascht Luft ein, dann beugte er sich zu mir. Sein Gesicht, das eben noch hoffnungslos ausgesehen hatte, glühte jetzt vor Intensität. Er starrte mir durchdringend in die Augen, er sprach schnell und erregt. Er war nah an meinem Gesicht, sein Atem heiß wie seine Haut.
»Ich glaube, ich weiß, wie wir das hinkriegen – denn du weißt es schon, Bella! Ich kann es dir nicht erzählen, aber wenn du es erraten würdest! Dann wäre ich aus dem Schneider!«
»Ich soll es erraten? Was denn?«
»Mein Geheimnis! Du kennst es – du kennst die Antwort!«
Ich blinzelte und versuchte klar zu denken. Ich war so müde. Ich wurde aus seinen Worten nicht schlau.
Er betrachtete mein verständnisloses Gesicht, dann spannten seine Züge sich wieder an. »Warte, ich versuche dir zu helfen«, sagte er. Er keuchte vor Anspannung.
»Helfen?«, sagte ich und versuchte ihm zu folgen. Meine Augen wollten zufallen, aber ich riss sie gewaltsam auf.
»Ja«, sagte er schwer atmend. »Dir Tipps geben.«
Er nahm mein Gesicht in seine riesigen, viel zu warmen Hände und hielt es nur wenige Zentimeter von seinem entfernt. Während er flüsterte, starrte er mir in die Augen, als wollte er mir noch etwas anderes sagen.
»Erinnerst du dich an den Tag, als wir uns kennengelernt haben – am Strand in La Push?«
»Klar.«
»Erzähl mal, was du noch weißt.«
Ich holte tief Luft und versuchte mich zu konzentrieren. »Du hast nach meinem Transporter gefragt …«
Mit einem Nicken drängte er mich weiterzusprechen.
»Dann haben wir über den Golf geredet …«
»Weiter.«
»Wir sind am Strand spazieren gegangen …« Als ich daran zurückdachte, wurden meine Wangen warm unter seinen Händen, aber so heiß, wie er war, würde er es gar nicht merken. Ich hatte ihn zu einem Strandspaziergang aufgefordert und ziemlich plump, aber erfolgreich mit ihm geflirtet, um etwas aus ihm herauszubekommen.
Er nickte, er wollte mehr hören.
Meine Stimme war fast lautlos. »Du hast mir Gruselgeschichten erzählt … Quileute-Legenden.«
Er schloss die Augen und schlug sie wieder auf. »Ja.« Spannung und Inbrunst lagen in dem Wort, als ginge es um etwas Lebenswichtiges. Er sprach langsam, betonte jedes einzelne Wort. »Weißt du noch, was ich gesagt habe?«
Bestimmt sah er sogar im Dunkeln, wie meine Gesichtsfarbe sich veränderte. Wie könnte ich das je vergessen? Ohne zu wissen, was er tat, hatte Jacob mir das verraten, was ich an jenem Tag wissen musste – dass Edward ein Vampir war.
Er sah mich mit einem Blick an, der zu viel wusste. »Denk scharf nach«, sagte er.
»Ja, ich weiß es noch«, flüsterte ich.
Er holte tief Luft, er rang mit sich. »Erinnerst du dich an alle Geschicht…?« Er konnte die Frage nicht beenden. Sein Mund blieb offen stehen, als wäre ihm etwas im Hals stecken geblieben.
»Alle Geschichten?«, fragte ich.
Er nickte stumm.
In meinem Kopf schwirrte es. Nur eine Geschichte war bedeutsam. Ich wusste, dass er vorher andere erzählt hatte, aber jetzt, da mir die Erschöpfung den Verstand vernebelte, konnte ich mich an die belanglose Einleitung nicht erinnern. Ich schüttelte den Kopf.
Jacob stöhnte und sprang vom Bett. Er presste die Fäuste an die Stirn und atmete schnell und wütend. »Du weißt es, du weißt es«, murmelte er.
»Jake? Jake, bitte, ich bin so kaputt. Ich schaffe das jetzt nicht. Vielleicht morgen früh …«
Er atmete einmal tief ein und aus und nickte. »Vielleicht fällt es dir wieder ein. Ich glaub, ich weiß, warum du dich nur an die eine Geschichte erinnerst«, fügte er in
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