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Biss der Wölfin: Roman

Biss der Wölfin: Roman

Titel: Biss der Wölfin: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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Zentimeter von meiner Hand entfernt.
    Ich zappelte herum in meinem Bemühen, ihn zu erreichen, aber er riss die Jacke wieder an sich mit einem ärgerlichen »Stillhalten!«.
    Er legte sich auf den Bauch und schob sich weiter vorwärts, dann warf er mir die Jacke wieder zu. Dieses Mal streifte sie meine Finger. Ich erwischte die Kante der Ärmelmanschette – etwas, das ich nur sehen konnte, denn meine Finger waren zu taub, um den Stoff zu spüren.
    Ich schaffte es, genug zu fassen zu bekommen, um mich etwas näher heranzuziehen; dann wickelte ich mir den Ärmel ums Handgelenk. Noah zog. Ich trat um mich, zappelte mich auf das Eis hinauf, hörte es hinter mir knacken. Noah zog weiter, vorsichtig zunächst, dann mit einem Ruck. Das Eis brach und versank unter mir, als ich auf ihn zuschoss.
    Noah bewegte sich rückwärts, zog immer noch, befahl mir immer noch, mich nicht zu bewegen, das Gesicht starr vor Konzentration; Sehnen traten hervor, als er mich ans Ufer zerrte.
    »Okay«, sagte er, als ich schließlich unmittelbar am Rand zusammengekauert zur Ruhe kam. »Wir müssen …«
    »Was hast du da aus dem Fluss gezogen, Junge?«, schallte eine Stimme aus dem Wald. »Ist das mein Mädchen?«
    Tesler trat zwischen den Bäumen hervor, seinen Bruder im Schlepptau. Noah richtete sich auf. Er wandte mir den Rücken zu – und da war meine Fluchtmöglichkeit. Aufspringen, Noah niederschlagen und rennen … doch ich war so außerstande, irgendetwas davon zu tun, als wäre ich an Händen und Füßen gefesselt.
    Ich kauerte dort und zitterte unkontrolliert. Ich versuchte, mich zu konzentrieren, aber es war, als stände ich über einem Abgrund der Schwärze; es erforderte meine gesamte Kraft, auch nur bei Bewusstsein zu bleiben und zu atmen.
    »Sie ist reingefallen«, rief Noah zurück. Seine Stimme hatte sich verändert, die Besorgnis war verschwunden, das Timbre war tiefer – wie bei einem Teenager in Gesellschaft seiner Kumpel. »Dumme Großstadtziege, sie ist auf den Fluss rausgerannt und durchs Eis gebrochen. Wenn ihr sie lebend haben wollt, dann müsst ihr sie in die Hütte bringen, und zwar gleich. Sie muss aus den nassen Sachen raus.«
    Tesler beugte sich über mich; ich sah Augen und Zähne blitzen. »Tja, das werden wir dann wohl machen müssen. Ich hatte sowieso nicht vor, sie noch lang in denen drin zu behalten.«

29 Beute
    I ch wünschte, ich könnte sagen, dass ich mich auf jedem einzelnen Schritt des Weges wehrte. Aber noch während der primitivere Teil von mir vor Angst und Panik wild wurde, meldete sich der rationale Teil zu Wort.
    Ich spürte, wie mein Körper die Schotten dicht machte, wie die Unterkühlung durch meine Adern kroch wie ein Betäubungsmittel und mir zuflüsterte, ich sollte doch einschlafen, einfach einschlafen. Das Einzige, was ich an Kämpfen jetzt noch tun konnte, war: Ich konnte versuchen, zu überleben. Und in diesem Moment bedeutete Überleben, dass ich Tesler gestattete, mich über seine Schulter zu werfen und zu ihrer Hütte zu tragen.

    Die »Hütte« war ein großes Ferienhaus. Die dicke Staubschicht auf dem herumstehenden Krimskrams teilte mir mit, dass es selten genutzt wurde. Ich konnte also davon ausgehen, dass sie sich einfach hier einquartiert hatten in dem Wissen, dass wenig Gefahr bestand, die Besitzer könnten auftauchen. Die Alarmanlage war aus der Wand gerissen worden. Neben der Tür türmten sich die Pizzaschachteln. Der Teppich war mit Flecken bedeckt, und es roch wie in einem Verbindungshaus – nach verschüttetem Bier und verschwitzten Körpern.
    »Du musst sie ausziehen«, sagte Noah, Tesler unmittelbar auf den Fersen, als der das Wohnzimmer betrat.
    »Oh, glaub mir, dazu komme ich schon noch.«
    »Jetzt, Travis. Ich mache keine Witze.«
    Ich versuchte, Noah ins Gesicht zu sehen, aber er hatte sich abgewandt. Tesler lud mich auf dem Bärenfell vor einem noch glimmenden Kamin ab.
    »Ausziehen.«
    »Ich hole ihr ein paar …«, begann Noah.
    Tesler fuhr zu ihm herum. »Du holst ihr gar nichts, Junge.« Zu mir sagte er: »Zieh dich aus. Wenn’s dir nicht lieber ist, dass ich das erledige.«
    Ich zog mir das T-Shirt aus. Das erforderte mehrere Versuche – meine Finger waren nicht in der Lage, sich um den Stoff zu schließen. Irgendwann schob ich die Hände darunter und zerrte es mir über den Kopf.
    Die Hütte war bereits warm – der Kamin glimmte noch, und am anderen Ende des Zimmers loderte ein Holzofen vor sich hin. Tesler warf ein Scheit ins Feuer und fügte

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