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Biss der Wölfin: Roman

Biss der Wölfin: Roman

Titel: Biss der Wölfin: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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an gewusst, als ich seine Gestalt in der Ferne entdeckte.
    Sein Gesicht war jung und glatt; hellbraunes Haar hing in dunkle Augen. Er griff nach oben und schob die Haare ungeduldig nach hinten, während er mir ins Gesicht spähte – seine Nachtsicht war noch nicht sehr gut, er hatte die erste Wandlung kaum hinter sich.
    Noah Stillwell, Joeys entführter Sohn – nicht etwa gefesselt und mit vorgehaltener Pistole vorangestoßen, sondern frei und willens, seinen Rudelgefährten bei der Jagd auf ihre Beute zu helfen.
    Als ihm aufging, wer da geradewegs auf ihn zu rannte, flogen seine Hände in einer ungeschickten Bewegung nach oben, als habe er noch nicht recht entschieden, ob er mich aufhalten, angreifen oder abwehren wollte.
    Ich packte ihn vorn an der Jacke, fast ohne dabei aus dem Tritt zu geraten, riss ihn von den Füßen und schleuderte ihn zur Seite. Ich konnte mir von keinem der Brüder vorstellen, dass er stehen bleiben und dem Jungen auf die Beine helfen würde, und sie taten es auch nicht. Wenigstens war der Pfad sehr schmal, und als Noah sich aufrappelte, geriet er ihnen zwischen die Füße; ein Chor aus Grunzern und Flüchen hallte hinter mir her. Ich beugte mich vor, suchte mir einen Weg durch die Stellen, wo der Schnee am dünnsten lag, und rannte mit voller Kraft.
    Das Rennen ist immer eine meiner Stärken gewesen. Ganz besonders gut bin ich darin, vor den Dingen davonzurennen. Ich habe es mein ganzes Leben getan, und nicht nur im metaphorischen Sinn.
    Die letzten zehn Jahre habe ich damit verbracht, zu lernen, dass ich stehen bleiben und mich meinen Problemen stellen kann … oder sie doch zumindest so lange zurechtprügeln, dass sie hinterher nicht mehr zu erkennen sind. Und dementsprechend tat es weh, jetzt vor den Teslers davonzurennen – ein innerer Schmerz, so stechend, dass es sich anfühlte, wie über ein Nagelbrett zu rennen; die Spitzen schienen sich mit jedem Schritt in meine Fußsohlen zu bohren.
    Ich sagte mir, dass ich nicht wegrannte, dass dies einfach Teil eines Plans war, der irgendwann mit einer Konfrontation, einer Herausforderung und – selbstverständlich – einem Sieg enden würde. Das Einzige, was dabei noch fehlte? Der Plan selbst.
    Ich schoss zwischen den Bäumen hindurch und versuchte, die dichtesten Stellen zu finden, die mein helles T-Shirt und mein Haar verbergen würden. Allmählich hörte ich die Geräusche meiner Verfolger verklingen, und irgendwann verstummten sie.
    Ich machte mir deshalb nichts vor. Ich hatte sie nicht abgehängt – sie konnten mühelos meiner Witterung folgen. Sie hatten einfach aufgehört, hinter mir herzurennen. Ich war meilenweit von jeder menschlichen Ansiedlung entfernt und rannte in T-Shirt und Laufschuhen durch die Schneewüste von Alaska. Sie würden sich einen Plan einfallen lassen, wie sie mich aufspüren und einfangen konnten. Und ich würde die Zeit, die sie dafür brauchten, nutzen, um mir etwas Wärmeres anzuziehen.
    Ich benötigte nur noch etwas mehr Abstand zu ihnen, dann konnte ich mich weit genug entspannen, um mich zu wandeln. Noch etwa sieben Meter weiter, und der Anblick tanzender Lichter weiter vorn veranlasste mich, einen Satz ins Unterholz zu machen. Sobald ich gut versteckt war, spähte ich ins Freie.
    Ich konnte in der Ferne eine Gruppe von drei Lichtern erkennen, die etwa auf Taillenhöhe zu tanzen schienen. Taschenlampen? Ein viertes Licht gesellte sich dazu, dann ein fünftes, und während ich hinüberspähte, hörte ich das schwache Rumpeln von Motoren. Motorschlitten.
    Mir fiel ein, was Dan erzählt hatte – dass zu der Tesler-Gruppe noch zwei weitere Mutts gehörten, die zurzeit in den südlicher gelegenen Bundesstaaten unterwegs waren, um Handelswege zu organisieren. War es möglich, dass die Teslers sie nach dem Tod von Dan zurückgerufen hatten? Möglich, aber in diesem Fall hätten sie Noah und die Brüder wohl zu dem Gefangenenaustausch begleitet. Es war sehr viel wahrscheinlicher, dass dies eine Gruppe von Menschen war. Und in diesem Fall würde ich hinrennen und sie um Hilfe bitten. Diese Erniedrigung würde mein Stolz eher verkraften als das, was mir bevorstand, wenn die Teslers mich einholten.
    Trotzdem bestand die entfernte Möglichkeit, dass es doch die Mutts waren, und so glitt ich äußerst vorsichtig aus dem Dickicht heraus. Die Scheinwerfer tanzten wie riesige Glühwürmchen ihren Weg entlang; die Motoren schickten ein leises, stetiges Rumpeln in meine Richtung.
    Im Gehen stellte ich fest,

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