Biss der Wölfin: Roman
sie.
Wenn ich nicht umgebracht werden wollte, dann stand und fiel alles damit, dass ich diese eine Chance nicht vermasselte. Provozieren, provozieren und immer weiter provozieren, bis ich bekam, was ich wollte, und zum Teufel mit den Konsequenzen.
»Nicht persönlich gemeint«, sagte ich, »aber der Junge wäre mir lieber.«
Er lächelte mit blankgelegten Zähnen. »Ich bin mir sicher, das wär er.«
Er trank sein Bier. Ich trat näher, ohne den geringsten Versuch, meine Nacktheit zu bedecken, und blieb keinen halben Meter von ihm entfernt stehen.
»Wie wäre es, wenn du stattdessen gegen mich kämpfst?«, fragte ich.
Er hielt inne, die Dose an den Lippen; dann senkte er sie. »Was?«
»Lass mich kämpfen anstelle des Jungen. Das wäre fair. Gleiche Abmachung. Wenn ich gewinne, kriegt er mich. Wenn du gewinnst …« Ich sah ihm in die Augen. »Kannst du mich haben.«
Er erwiderte den Blick, und zum ersten Mal, seit wir uns begegnet waren, hatte ich keine Angst. Clay hatte recht gehabt – wenn ich meine Stellung behauptete, würde Tesler seine nicht halten können. Sein Gesicht verfinsterte sich vor Wut, und ich wusste, es gab nur eins, an das er jetzt noch denken konnte, nur eine Sache, die er wollte: die Kontrolle zurückgewinnen.
Es gab keinerlei logischen Grund, warum er auf meinen Vorschlag eingehen sollte. Viel besser wäre es, Noahs Herausforderung anzunehmen, den Jungen grün und blau zu prügeln und ihm eine Lektion zu erteilen. Wenn er sich auf mich einließ, riskierte er möglicherweise die unerträgliche Demütigung, gegen eine Frau zu verlieren.
Doch wenn er gewann, dann würde er wirklich gewonnen haben, und der trotzige Funke in meinen Augen würde für immer erloschen sein. Er konnte die Kontrolle zurückgewinnen, er konnte mich zusammenschlagen, und nicht einmal Eddie würde einen Grund haben, sich zu beschweren. Er konnte mich in einem fairen Kampf gewinnen und seinen Siegespreis in dem Moment genießen, in dem der Sieg am süßesten schmeckte.
Als Tesler den Mund öffnete, wusste ich, was herauskommen würde: »Abgemacht.«
30 Zweikampf
S obald das erste Hochgefühl über meinen Erfolg verflogen war, wurde mir klar, dass ich bis zum Hals in der Tinte steckte. Ich mochte bei meinem Sturz in das eiskalte Wasser keine äußeren Verletzungen abbekommen haben, aber ich fühlte mich, als wäre ich durch den Ärmelkanal geschwommen. Jeder einzelne Muskel tat mir weh, und ich war todmüde.
Andererseits, wenn ich nicht kämpfte, konnte ich das Element »müde« aus dem Ausdruck streichen – ich würde ganz einfach tot sein. Und das war es, was ich im Gedächtnis behalten musste. Körperliche Verletzungen wären eine Sache gewesen, aber aus mangelnder Willenskraft würde ich keinen Zweikampf verlieren. Ich musste einfach über die Müdigkeit hinwegkommen. Später würde ich ausruhen können, so viel ich wollte.
Meine Aussichten darauf, gegen Tesler zu gewinnen, standen etwa fünfzig zu fünfzig. Ich hätte den Kurs noch etwas zu meinen Gunsten korrigieren können, weil ich ihn bereits hatte kämpfen sehen, aber ich wollte nicht unvorsichtig werden.
Wenn ich diesen Zweikampf verlor, würde ich vergewaltigt, zusammengeschlagen und umgebracht werden … nicht notwendigerweise in dieser Reihenfolge. Es bestand immer noch die Möglichkeit, dass Joey und Clay mir rechtzeitig zu Hilfe kommen würden, aber mein diesbezüglicher Optimismus war abgeklungen, sobald ich Joey weggeschickt hatte. Ich hatte ihn glauben lassen, Clay würde ihn für seinen Verrat auf entsetzliche Art umbringen. Und jetzt hoffte ich darauf, er würde auf dem schnellsten Weg zu Clay rennen und ihm mitteilen, dass ich in den Händen des Feindes war … und zwar, weil er selbst mich ausgeliefert hatte?
Ich wäre nicht weiter überrascht, wenn er auf dem Highway schnurstracks weitergefahren wäre. Genau genommen wäre ich schockiert gewesen, wenn er etwas anderes getan hätte.
Also konnte ich nur hoffen, dass ein Kampf auf Leben und Tod mir den zusätzlichen Adrenalinstoß beschaffen würde, den ich brauchte.
Tesler schien mit der Aussicht, mich nackt kämpfen zu lassen, vollkommen glücklich zu sein – schockierend das, nicht wahr? Eddie und Noah waren diejenigen, die widersprachen. Noah protestierte, und Eddie tat so, als mache sein Bruder ganz offensichtlich Witze; irgendwann war Tesler gezwungen zu sagen, dass er natürlich Witze machte und dass ich mich anziehen konnte … solange es meine eigenen Sachen waren,
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