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Biss der Wölfin: Roman

Biss der Wölfin: Roman

Titel: Biss der Wölfin: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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die ich anzog. Was er dabei übersehen hatte, war, dass ich meine Kleider am Kamin deponiert hatte und sie jetzt warm und zumindest halbwegs trocken waren.
    Noah und Eddie schafften im Wohnzimmer Platz für uns, indem sie die Möbel an die Wände schoben. Dann bezogen Tesler und ich in der Mitte des Raums Position und standen uns gegenüber wie zwei Boxer. Tesler wippte sogar wirkungsvoll auf den Zehen.
    »Letzte Gelegenheit, es dir anders zu überlegen«, sagte er. »Erwarte bloß nicht von mir, dass ich mich zurückhalte, nur weil du eine Frau bist.«
    »Tu ich nicht.«
    »Wenn du hier rauskommst, wirst du dich sehr viel übler fühlen als jetzt.«
    »Damit rechne ich. Und ich weiß es wirklich zu würdigen, dass du mir diese Möglichkeit gibst, aber ich komme zurecht. Natürlich würde ich genauso viel Rücksicht darauf nehmen, wenn du dich lieber aus dem Kampf zurückziehen möchtest.«
    Sein Gesichtsausdruck jagte mir einen Schauer über den Rücken, und tief in meinem Innern begann die Kinderstimme mir zuzuschreien, ich sollte mich nicht wehren, mich niemals wehren, es würde nur weh tun.
    Aber ich war nicht mehr zwölf Jahre alt! Ich konnte dieses Stück Dreck besiegen.
    »Du hältst dich für ziemlich tough, was?«, fragte Tesler.
    »Nein, nicht besond…«
    Er sprang vor; seine Handflächen rammten meine Schultern. Der Boden schien unter meinen Füßen zu verschwinden, und dafür traf mein Kopf auf ihm auf, mit einem Knacken, das mein Bewusstsein auf einen sekundenlangen Kurzurlaub schickte. Ich kam zu mir, als Tesler über mir aufragte, die Hand vorn in mein T-Shirt gewickelt. Bevor ich mir darüber klarwerden konnte, was gerade passierte, segelte ich schon wieder durch die Luft. Dieses Mal krachte ich gegen die Wand.
    Als ich taumelnd auf die Beine kam, hörte ich die Kleinmädchenstimme in meinem Inneren schreien und schluchzen.
    Warum hast du dich auch wehren müssen? Du weißt genau, wie das ausgeht. Niemals, niemals wehren. Es wird bloß weh tun, und es endet sowieso immer auf die gleiche Art, ganz egal, was du tust. Du kannst dich gegen die nicht wehren. Du kannst einfach nicht.
    Tesler kam auf mich zu. »Willst du’s dir überlegen? Das Angebot gilt noch.«
    Ja, o Gott, ja! Es ist noch nicht zu spät. Sag ihm, du wirst nett zu ihm sein. Lass ihn dann machen, was er will. Geh einfach an den Ort, wo er dir nicht weh tun kann, und es wird alles okay sein.
    Nur, dass es nicht okay sein würde. Mein kindliches Ich hatte mit vielen Ungeheuern zu tun gehabt, aber nie mit einem wie diesem. Für Tesler würde es nicht ausreichen, die Kontrolle zurückgewonnen zu haben. Hier tat es nur noch die vollständige Ausschaltung der Bedrohung. Kein geheimer Zufluchtsort der Welt würde mich davor bewahren.
    Ich stand halb auf und tat so, als stürzte ich wieder, zuckend vor Schmerz.
    Er beugte sich über mich. »Du gibst auf? Gut, weil ich nämlich …«
    Meine Füße trafen ihn mitten in die Brust und ließen ihn nach hinten torkeln. Ich sprang auf und schlug zweimal zu; dann trat ich nach, und er ging zu Boden. Ich hatte in die Richtung des steinernen Kamins gezielt, und sein Kopf schlug mit einem höchst befriedigenden Knirschgeräusch auf.
    Ich ging zu der Stelle hinüber, wo er am Boden lag und den Kopf schüttelte.
    »Wenn du aufgeben willst, sag es einfach«, sagte ich.
    Er sprang mit einem Knurren wieder auf die Beine. Ich fintierte aus dem Weg. Wir tanzten eine Weile umeinander herum, bevor ich einen Hieb anbrachte; den zweiten blockierte er und landete seinerseits einen harten Schlag … und so ging es weiter.
    Es dauerte nicht lang, bis ich mich gezwungen sah, unsere jeweiligen Siegeschancen zu Teslers Gunsten zu modifizieren. Wir hatten gleich viel Erfahrung, aber er war so viel stärker als ich, dass mich jeder Schlag durchs Zimmer schleuderte. Er war außerdem fuchsteufelswild und entschlossen, dieses Miststück auf seinen Platz zu verweisen. Ich war ebenso entschlossen, ihn genau das nicht tun zu lassen. Leider floss seine Rage geradewegs in seine Fäuste, und meine vernebelte mir das Hirn – meine beste Waffe.
    Jedes Mal, wenn er einen Schlag anbrachte, kamen meine alten Ängste wieder zum Vorschein und belagerten den Teil meines Gehirns, dessen Aufgabe es gewesen wäre, seine Manöver zu analysieren und meine eigenen darauf abzustimmen. Ich versuchte, mich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren, auf seinen Kampfstil und das, was ich daraus lernen konnte. Es funktionierte nicht. Ich verlor

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