Biss der Wölfin: Roman
Ende meines Seils erreicht hatte. Der Bär stolperte nach hinten. Er sah von mir – einem Irrwisch aus fliegendem Pelz und blitzenden Reißzähnen – zu dem Wald hinter mir hinüber, wo sich zu den schweren Schritten jetzt das Prasseln von Unterholz gesellt hatte. Mit einem Schnauben und einem Murren schlurfte der Bär schließlich davon, ganz so, als wolle er gar nicht flüchten, sondern sei einfach zu dem Schluss gekommen, dass ich seine Zeit nicht wert war.
Ich widmete mich wieder dem Seil und nagte hektisch. Als ich unmittelbar hinter mir ein Schnaufen hörte, drehte ich mich fauchend um. Und dann erstarrte ich mitten in der Bewegung.
33 Ijiraat
W as da vor mir stand, war weder Wolf noch Bär, sondern eine skurrile Mischung aus beiden. Dreißig Zentimeter kleiner als der Bär, aber mit dem gleichen breiten Schädel, dem braunen Pelz und dem massigen Körper. Die spitzen Ohren und die lange Schnauze dagegen waren wölfisch, und der Pelz – länger und zottiger als meiner – war Wolfspelz mit dickem, grobem Deckhaar.
Es sah aus wie die Hollywood-Version eines Werwolfs aus der Ära, die auf den Wolfsmann folgte – ein wuchtiges, tierartiges Wesen. Aber das war es nicht, was mich mitten in der Attacke hatte innehalten lassen. Es waren die Augen. Blaue Augen, so menschlich wie unsere in gewandelter Gestalt. Als ich diese Augen sah, wusste ich, dass Lynn Nygards Geschichten über die Ijiraat zutrafen. Nur, dass dies kein Mensch war, der sich entweder in einen Wolf oder in einen Bären verwandelte; es war eine Mischung aus allen dreien.
Das Wesen blieb ein paar Schritte von mir entfernt stehen und zog die Lefzen zu einem probeweisen Knurren nach hinten. Wie der Bär war es neugierig, aber wachsam. Ich erwiderte den Blick, ohne zurückzuweichen und ohne zur Antwort ebenfalls zu knurren. Ich tat einfach das, was ich bei Tesler getan hatte – die Stellung und den Blickkontakt halten.
Das Wesen ging ein paar Schritte in eine Richtung und dann in die andere, den Blick immer noch auf mich gerichtet. Es bewegte sich schwankend wie ein Bär, aber seine Bewegungen waren schneller. Der zottige Pelz ließ es wuchtiger wirken, als es war. Es hatte mir trotzdem noch mindestens hundert Pfund voraus, und Winterfett machte den geringsten Teil davon aus. Dem Geruch merkte ich an, dass dies das Individuum sein musste, das Clay attackiert hatte, aber die einzigen Spuren der Verletzungen waren ein paar ausgelichtete Stellen im Pelz und bereits heilende Wunden.
Das Wesen blieb stehen, um mich näher ins Auge zu fassen. Unsere Wege hatten sich inzwischen oft genug gekreuzt, dass der Anblick eines zu groß geratenen, mit Kleidungsfetzen drapierten und nach Mensch riechenden Wolfs es nicht weiter verwirrte.
Es beugte sich vor und beschnüffelte mich. Als ich nicht angriff, beugte es sich weiter vor. Ich bewegte mich, und es wich zurück, aber ich drehte mich einfach nur zur Seite und ließ mich beschnuppern, so wie ich es bei einem anderen Werwolf getan hätte. Denn genau so musste ich dies angehen. Ganz gleich, wie sehr mein Herz hämmerte, ich durfte mir keine Furcht anmerken lassen.
Während es schnupperte, nagte ich – so unbeteiligt und beiläufig wie möglich – weiter an dem Seil herum, das mein Vorderbein in der Luft hielt.
Es schnupperte an meiner Flanke. Dann schnupperte es an meinem Hinterteil. Als es etwas zu lang da hinten blieb – und seine Nase mich an einer Stelle streifte, wo ich nicht gestreift werden wollte –, war ich gerade so sehr mit dem Seil beschäftigt, dass ich auf die genau die gleiche Art reagierte, wie wenn ein Werwolf zu viel Interesse an diesem Ende meiner Person entwickelte. Ich fuhr herum, fauchte und schnappte.
Das Wesen zuckte zurück und grunzte, wie um zu fragen: Was hab ich denn getan? Ich grunzte zurück … und setzte mich hin. Es stieß mich am Hinterteil an. Ich blieb sitzen. Als es mich nachdrücklicher anstieß, knurrte ich.
Es schnaufte; seine Augen wurden schmal, und es legte den Kopf erst auf die eine Seite, dann auf die andere, um zu überlegen. Noch ein Schnaufen, und es wandte mir den Rücken zu und begann, sich zu entfernen, wobei es vor sich hin murrte, als sei es gründlich verärgert über mein mangelndes Interesse.
Ich widmete mich wieder meiner Seilnagerei, hatte aber kaum damit angefangen, als ich das Trappeln rennender Pfoten hörte. Bevor ich mich umdrehen konnte, war es auf meinen Rücken gesprungen, die Hinterpfoten noch auf dem Boden, die
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