Biss der Wölfin: Roman
würde ich mich kaum. Ich hatte mich immer für den Typ gehalten, der seinen Kaffee ohne Schikanen mochte, aber während der Schwangerschaft und Stillzeit hatte ich koffeinfreien Milchkaffee getrunken, schon um mehr Milchprodukte zu mir zu nehmen, und dabei eine Vorliebe für ihn entwickelt – vor allem, wenn außerdem Karamell drin war. Hier gab es Milchkaffee mit Karamell, also besorgte ich eine große Portion für mich, einen Kaffee für Clay und eine Tüte Gebäck.
Wir gingen wieder ins Freie, um zu essen, und fanden nirgends eine Bank oder einen Tisch. In Anbetracht der Aussicht – verschneite Berge, über deren Kamm gerade die Sonne aufging – konnte ich mir zunächst gar nicht vorstellen, warum die Leute es vorzogen, ihren Kaffee drinnen zu trinken. Möglicherweise hatten die Minustemperaturen etwas damit zu tun.
Trotzdem wollten wir die Gelegenheit, bei diesem Ausblick zu frühstücken, nicht verstreichen lassen. Und Clay war mindestens so glücklich darüber, nicht in der Gesellschaft von Fremden essen zu müssen. Also setzten wir uns auf die Bohleneinfassung eines Blumenkastens und riefen zu Hause an.
Jeremy und seine Freundin Jaime, die gerade zu Besuch war, würden die Kinder später zum Schwimmunterricht begleiten; das bedeutete, dass unsere Zeitwahl perfekt war – Logan und Kate würden viel zu aufgeregt sein, um uns nach unserer Rückkehr zu fragen. Clay, Jeremy und ich arbeiten den größten Teil unserer Zeit zu Hause; die Kinder sind also bisher mit Eltern aufgewachsen, die fast immer anwesend sind. Man sollte doch meinen, sie hätten unter diesen Umständen nichts dagegen, wenn wir gelegentlich von der Bildfläche verschwinden. Aber weil wir fast immer da sind, sind sie an diesen Zustand gewöhnt und machen ein höllisches Theater, wenn wir wegfahren.
Clay redete zunächst mit Kate, was mir hinreichend Zeit gab, mein Muffin und meinen Milchkaffee zu genießen. Ich hörte zu, wie sie Daddy alles erzählte, was seit seinem letzten Anruf am Vortag passiert war. Alles. In allen Einzelheiten. Und während des gesamten viertelstündigen Monologs schweifte Clays Aufmerksamkeit nicht eine Sekunde lang ab.
Als das Thema Familiengründung vor Jahren zum ersten Mal zur Sprache gekommen war, hatte ich Scherze darüber gemacht, dass ich mir nur ein einziges noch übleres Szenario vorstellen konnte als mich selbst als Mutter – Clay als Vater. Ich hätte mich gar nicht gründlicher irren können. Clay war ein unglaublicher Vater. Der Typ, der keine fünf Minuten erübrigen konnte, um sich anzuhören, wie ein Mutt seine Seite des Problems darstellte, konnte seinen Kindern den ganzen Tag lang zuhören. Der Typ, der nicht einmal eine kurze Ratssitzung lang still sitzen konnte, verbrachte Stunden damit, mit seinen Kindern Legopaläste zu bauen. Der Typ, der Probleme mit den Fäusten löste, wurde seinen Kindern gegenüber nie auch nur laut. Und wenn Clay gelegentlich etwas zu nachgiebig war, mit dem Disziplinieren etwas zu lang wartete, weil er es vorzog, diesen Teil mir zu überlassen – dann hatte ich auch da keine Einwände. Er unterstützte meine Entscheidungen und setzte sie um, und unseren Kindern gegenüber präsentierten wir uns als konsequent und einig, und nur darauf kam es an.
Irgendwann unterbrach Jeremy das Telefonat, teilte Kate mit, dass sie bald aufbrechen würden, und gab das Telefon an Logan weiter. Diese Unterhaltung war weniger einseitig. Clay hatte Logan aus Atlanta einen Physikkasten für Kinder geschickt, und sie redeten über die Experimente, die Logan am Tag zuvor unter Jeremys Aufsicht durchgeführt hatte. Die Naturwissenschaften gehören weder zu Clays Interessen noch zu seinen Spezialgebieten, aber er war von der frühreifen Intelligenz seines Sohnes so fasziniert wie von den Abenteuern seiner Tochter.
Während Clay und Logan miteinander redeten, hörte ich Kate im Hintergrund – sie forderte Logan auf, sich zu beeilen, weil sie nämlich mit Mommy reden musste. Er führte die Unterhaltung in aller Ruhe fort, ohne sich ihr zuliebe zu beeilen, aber auch ohne sich absichtlich Zeit zu lassen, um sie zu ärgern. Noch bevor die beiden auch nur laufen konnten, hatte Kate – meine ungestüme kleine Wölfin – versucht, ihrem Bruder gegenüber eine dominante Stellung zu etablieren. Und er hatte klargestellt, dass sie vielleicht größer und kräftiger sein mochte, er sich diesen Unfug aber trotzdem nicht bieten lassen würde. Sie waren gleichberechtigt, und das sollte sie
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