Biss der Wölfin: Roman
achten, wie er ansonsten aussah – es hatte ihn auch von einem näheren Blick auf Travis’ Gefährten abgehalten. Über Dan hatte Reese nur zwei Dinge zu sagen. Erstens, er war kleiner. Zweitens, er war Russe – gesagt hatte er wenig, aber wenn er es tat, dann sprach er mit einem starken Akzent. Oh, und Travis’ Englisch war makellos und amerikanisch gefärbt, aber mit Dan hatte er ein paarmal einige Worte auf Russisch gewechselt.
Sie hatten keine Ähnlichkeit mit irgendjemandem in meinen Dossiers. Angesichts von Dans Akzent und Travis’ Russischkenntnissen ging ich davon aus, dass sie im Ausland gelebt hatten.
»Wir gehen zurück ins Museum«, sagte ich zu Clay. »Ich bezweifle, dass sie noch da rumhängen, aber ich will mir die Fährten ansehen. Wahrscheinlich dürften das dieselben Typen sein, die wir vorhin im Wald gerochen haben.«
»Ich hoff’s«, sagte Clay.
Ich auch. Mehr als eine Werwolfgruppe in der Umgebung von Anchorage, das war etwas, das ich mir gar nicht näher ausmalen wollte. Unser einfacher Ausflug war jetzt schon viel zu kompliziert geworden.
»Ich bringe euch hin«, sagte Reese. »Ich kann euch zeigen, wo sie auf mich losgegangen sind.«
»Sag uns einfach, wo wir ungefähr nachsehen müssen, dann finden wir die Witterung. Sie sind wahrscheinlich fort, aber sie könnten das Museum beobachten, und du bist jetzt schon verletzt.«
»Und genau deswegen will ich ja zurückgehen.« Er wurde rot. »Ich bin weggerannt.«
»Du hattest gerade zwei Finger verloren. Wegzurennen war genau die richtige Entscheidung.«
Reese sah zu Clay hinüber. Ich hatte nicht die geringste Hoffnung, dass Clay mir zustimmen würde, nur damit der Junge sich besser fühlte. Reese wusste das vermutlich genauso gut – weshalb er meinen Zuspruch ignorierte und stattdessen Clay ansah.
»Wenn der Typ so groß ist, wie du sagst, dann, yeah, spricht nichts gegen Wegrennen«, sagte er jetzt. »Aber glaubst du, jetzt kannst du mit uns zurückkommen in der Hoffnung, es denen heimzuzahlen? Und wir decken dir den Rücken dabei und greifen ein, wenn du nicht klarkommst?«
Reeses Gesichtsfarbe wurde noch etwas dunkler. »Ich hab damit nicht sagen wollen …«
»Nein, das glaube ich dir schon. Aber drüber nachgedacht hast du auch nicht. Wenn wir auf diese Mutts treffen, können wir uns nicht die ganze Zeit nach dir umsehen, ein Auge auf einen verletzten Jungen halten, der sich unbedingt rächen will. Elena ist nach Alaska gekommen, um dir den Arsch zu retten. Ich lasse nicht zu, dass du jetzt umkommst und sie sich deswegen schlecht fühlt.«
Ich räusperte mich und warf ihm einen Blick zu, der ihm mitteilte, dass gerade das nun wirklich nicht der Grund dafür sein sollte, dass ich Reese nicht tot sehen wollte. Aber ein einziger Blick auf Reese sagte mir, dass er sogar eher erleichtert war angesichts von Clays Aufrichtigkeit.
»In Ordnung also«, sagte er. »Ich sage euch alles, was ihr wissen wollt, und dann verschwinde ich von hier.«
Ich schüttelte den Kopf. »Clay hat recht – du musst wirklich aus Alaska weg –, aber ich möchte, dass du bei einem Rudelangehörigen unterkommst, bis das hier erledigt ist.«
»Ich weiß das Angebot zu schätzen, aber das ist nicht nötig.«
»Doch, ist es. Du bist schon verletzt und immer noch in Gefahr …«
»Ich komme klar.«
»So klar, wie Yuli Etxeberria gekommen ist?«
»Wer?«
»Der letzte Typ, dem Liam und Ramon ihre Menschenfresserei in die Schuhe geschoben haben. Er war ein paar Jahre älter als du und erst vor kurzem ins Land gekommen. Hat auch ein paar Finger verloren. In seinem Fall sogar die ganze Hand, und zwar post mortem. Liam und Ramon haben sie uns mit der Post geschickt. Das war’s, was ich dir die ganze Zeit sagen wollte. Sie haben das schon mal gemacht, sie haben es auf einen anderen Jungen abgewälzt, und wenn du noch lang hier rumhängst, wirst du der nächste Sündenbock.«
»Dann wolltest du mich die ganze Zeit einfach nur warnen?«
»Und herausfinden, was du über Liam und Ramon weißt«, sagte Clay. »Deine Unterstützung dabei, sie aufzutreiben und zu beweisen, dass sie Menschenfresser sind.«
Ich hatte vorgehabt, diesen Teil für mich zu behalten, bis ich das Vertrauen des Jungen gewonnen hatte, aber jetzt, nachdem Clay es laut ausgesprochen hatte, sah Reese wiederum erleichtert aus.
»Warum hast du das nicht gleich gesagt?«, fragte er mich.
»Na ja, vielleicht weil du jedes Mal abgehauen bist, bevor ich irgendwas erklären konnte, in
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