Biss der Wölfin: Roman
Pfützen weggewischt hatte. Er ließ sich Zeit dabei und sah nicht einmal in meine Richtung, bevor er fertig war. Er wusste, dass ich eine Frau und ein Werwolf war – mein Geruch musste ihm das verraten haben –, und ich war mir ziemlich sicher, dass er wusste, wer ich war. Aber als er schließlich doch noch aufblickte, wirkte er trotzdem bestürzt. Seine Nasenflügel blähten sich, als er meinen Geruch einsog. Dann rieb er sich mit dem Ärmel über die Nase, als versuchte er, den Geruch wieder loszuwerden.
»Normalerweise würde ich mich ja entschuldigen, weil du wegen mir deinen Kaffee verschüttet hast«, sagte ich. »Aber ich hätte niemals unbemerkt so nah an dich rankommen dürfen, nicht mit dem Wind.«
»Was willst du also?«
Ich nahm ihm das Kaffeetablett ab, ging zu der Marmoreinfassung eines Hochbeets hinüber und stellte es dort ab; dann setzte ich mich daneben. Joey blieb stehen.
»Ich bin Elena.«
»Ich weiß, wer du bist.«
»Und du weißt auch, wer Clay ist, trotz dieser kleinen Nummer, die du uns heute Morgen vorgespielt hast.«
Sein Mund wurde schmal. Es hatte eine Zeit gegeben, in der ich mit einem Fremden niemals so geredet hätte. Ich könnte es auf all die Jahre mit Clay schieben, darauf, dass seine Einstellung auf mich abgefärbt hat, aber mittlerweile ist mir aufgegangen, dass die Wahrheit einfacher ist – das Zusammensein mit Clay liefert mir lediglich eine Entschuldigung. Vor all den Jahren hätte ich vielleicht nicht so mit Joey geredet, aber ich hätte mir gewünscht, es zu tun.
Ich fuhr fort: »Vielleicht hat er dich einfach unvorbereitet erwischt, und das tut uns leid. Aber du hättest wieder rauskommen können, nachdem deine Kollegen weg waren.«
Joeys Gesichtsausdruck nach hätte er dies auch dann nicht getan, wenn Clay es vorgeschlagen hätte.
»Du musst mit Clay reden«, sagte ich. »Und wenn’s nur ein paar Minuten ist. Er muss dir etwas sagen. Etwas Wichtiges.«
»Dann kannst du es mir ja sagen.«
»Das sollte wirklich Clay tun.«
Er nahm sein Kaffeetablett von der Beetumrandung.
Ich griff nach seinem Ellbogen. »Bitte. Es ist wirklich wichtig.«
»Dann sag es mir und geh. Ich bin nicht an einem Wiedersehen interessiert.«
Ich schob mich vor ihn hin. »Was Clay vor fünfundzwanzig Jahren auch gesagt oder getan hat …«
Er sah abrupt auf; sein Stirnrunzeln schnitt mir das Wort ab. Es dauerte einen Moment, bevor ihm aufzugehen schien, wovon ich sprach.
»Das ist vorbei«, sagte er.
»Ich weiß, dass die Umstände, unter denen ihr auseinandergegangen seid, nicht gerade sehr freundschaftlich waren.«
»Die Umstände waren in Ordnung. Er war verärgert, aber wir haben das beigelegt, bevor wir auseinandergegangen sind. Der entscheidende Begriff hier ist auseinandergegangen. « Er sah mir ins Gesicht. »Hat Clay all die Geburtstagskarten nicht gekriegt, die ich ihm geschickt habe?«
»Nein, er hat nie …«
»Weil ich keine geschickt habe.« Er veränderte den Griff um das Tablett, hielt es mit beiden Händen wie einen Schild zwischen uns. »Clay hat gedacht, ich würde vor dem Ärger im Rudel davonrennen. Das hab ich nicht getan. Es war das Rudel selbst, vor dem ich weggerannt bin, dieser ganze Werwolfkram, von dem er so besessen ist – von dem sie alle besessen sind. Ich bin überhaupt nur meinem Vater zuliebe so lang geblieben, wie ich geblieben bin. Ich war froh über die Gelegenheit zum Gehen, und heute habe ich kein Interesse dran, die Kontakte von damals wiederzubeleben. Was es auch ist, weswegen Clay bis hier herauf gekommen ist, ihr könnt es mir sagen und wieder gehen.«
»Ist das ein Befehl?«
Er schien bei meinem Ton zusammenzuzucken; dann straffte er die Schultern. »Ich weiß, dass ich kein Territorium halten kann, aber als Gefallen einem ehemaligen Rudelbruder gegenüber möchte ich Clay bitten, meine Wünsche zu respektieren und Alaska zu verlassen.«
»Wie wäre es, wenn du ihm das selbst sagtest?«
Diesmal war das Zusammenzucken unverkennbar. Er wandte sich ab, um zu gehen.
»Und was ist mit diesen anderen Werwölfen in Anchorage?«, rief ich ihm nach. »Sollen die deine Wünsche auch respektieren? Ich glaube eigentlich nicht, dass sie so ohne weiteres wieder verschwinden werden.«
Eine langsame Wendung. »Welche anderen Werwölfe?«
»Drei Mutts. Wir haben ihre Fährten in der Nähe des jüngsten Wolfsrisses gefunden. Gestern haben sie außerdem einen jungen Werwolf angegriffen – etwa zwei Straßenblocks von hier entfernt. Das
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