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Biss der Wölfin: Roman

Biss der Wölfin: Roman

Titel: Biss der Wölfin: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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gesessen, als ein Mann um die Ecke des Bahnhofgebäudes bog und in meine Richtung ging. Ich atmete ein, aber der Wind stand falsch. Allerdings passte Reeses Beschreibung auf ihn – Anfang dreißig, groß und muskulös, kurzes braunes Haar und ein viereckiges Gesicht.
    Mein erster Gedanke war: Oh, Mist, Clay hätte den erwischen sollen, bevor er bei mir auftaucht. Mein zweiter Gedanke war: Kein Problem, mit dem werde ich fertig. Mein dritter, als er näher kam, war: Äh, wahrscheinlich  … Und mein vierter, als der Mann nah genug herangekommen war, dass ich ihn riechen konnte, kam dem ursprünglichen Oh, Mist sehr nahe. Er war ein Mensch.
    Offenbar wirkte meine unglaublich heiße Person nicht nur auf Werwölfe anziehend. Oder es fehlte in Alaska an alleinstehenden Frauen.
    »Hallo«, sagte er. »Das muss doch kalt sein, ganz allein hier draußen rumzusitzen.«
    Ich lächelte – höflich, mehr nicht. »Ich warte auf jemanden.«
    »Komm rein und warte drin, ich lade dich zu einem Kaffee ein.«
    Espresso, da war ich mir sicher. »Danke, aber mein Mann müsste jeden Moment auftauchen.«
    Sein Blick fiel auf meine Hand, die allerdings in einem Handschuh steckte. Dann musterte er mich. Wie auch immer eine verheiratete Frau aussehen sollte, ich entsprach dem Bild offenbar nicht, denn er kam noch näher.
    »Wie wär’s mit Mittagessen? Es gibt da ein tolles kleines Lokal hier die Straße rauf. Nett und warm dort.«
    »Mir geht’s prima, wirklich. Da, wo ich herkomme, ist das hier ein schöner Frühlingstag.«
    »Und wo ist das?«
    Verdammt. Jetzt hatte ich selbst mit diesem guten alten Gesprächsverlängerer angefangen.
    »Kanada. Aber jedenfalls, ich werde lieber … Oh, Moment. Mein Handy vibriert.«
    Ich ging dran und redete ins Leere. »Klar, sicher, und das wäre wo?« Pause. Auflachen. »Okay, wird gemacht.« Pause. »Bin in ein paar Minuten da.«
    Ich rutschte von dem Sockel herunter, während ich das »Gespräch« beendete. »Mein Mann. Er will, dass ich mir was ansehe, das er kaufen will.« Ich verdrehte die Augen. »Männer.«
    »Wo ist er?«, fragte der Mann.
    »Da drüben.« Ich winkte zu einer Ansammlung von Gebäuden hinüber, in der Hoffnung, dass eins davon ein Laden war. Dann setzte ich mich in Bewegung.
    »Warum fahre ich dich nicht hin?«
    »Geht prima so.«
    »Es ist eine ganz schöne Strecke.«
    Clays gellender Pfiff schnitt durch das Heulen des Windes. Das war seine Art, mir mitzuteilen, dass die Mutts den Köder geschluckt hatten und er seine Rückendeckung brauchte.
    »Sorry, ich muss jetzt wirklich …« Ich versuchte, um den Mann herumzugehen, aber er versperrte mir den Weg.
    »Ich fahre dich hin.«
    »Danke, aber das ist nicht nötig.«
    Wieder ein Schritt zur Seite, den er wiederum blockierte, und dieses Mal schob er sich dichter heran, als mir lieb war, so dass sich die Härchen in meinem Nacken aufstellten. Ich wich zurück.
    »Ich komme klar«, sagte ich, während sich ein scharfer Tonfall in meine Stimme schlich.
    »Kein Grund, schnippisch zu werden. Ich will einfach nett sein.«
    »Und ich will einfach nur sagen ›Nein, herzlichen Dank auch‹.«
    Ein Doppelpfiff von Clay. Das Pass-auf -Signal, das mich warnte – die Mutts haben sich getrennt, und einer davon könnte in deine Richtung kommen.
    »Tut mir leid«, sagte ich.
    Er lächelte. »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Jeder hat manchmal ein bisschen schlechte Laune.«
    »Nein, ich meine dafür.« Ich trat ihn gegen die Kniescheibe. Als er herumfuhr und in die Knie ging, rammte ich ihm den Fuß in die Kniekehle, und er krachte fluchend zu Boden. Ich rannte los.
    Clay pfiff wieder. Eine Positionsangabe dieses Mal – er schien hinter der Gebäudegruppe zu stecken, auf die ich gerade erst gezeigt hatte. Es gab mehrere Routen dorthin. Ich entschied mich für die über offenes Gelände, wo ich zugleich Ausschau nach Mutts halten konnte.
    Der Wind war wieder stärker geworden, er zerrte an mir, während ich rannte, ließ mich im Matsch ausrutschen; ich konnte mich kaum auf den Beinen halten. Sein Heulen erfüllte meine Ohren, und der Gestank von faulendem Fisch erfüllte meine Nase. Ich rannte weiter, die Augen gegen den Sturm zusammengekniffen.
    Als ich ein Röhren hinter mir hörte, fuhr ich herum und sah einen Geländewagen über die offene Fläche rumpeln. Meine Augen hatten sich im scharfen Wind mit Tränen gefüllt, und den Fahrer konnte ich nicht sehen – nur, dass der Wagen direkt auf mich zuhielt. Ich rannte aus

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