Biss der Wölfin: Roman
dem Weg zur Leiter.
Clay fing mich ein und zog mich nach unten in die Hocke, wo es einfacher war, das Gleichgewicht zu halten. »Warte einen Moment.«
»Ich brauche keinen …«
»Doch, tust du, und er ist jetzt schon zu weit weg. Ob wir jetzt losziehen oder in zwei Minuten, seine Fährte wird noch da sein.«
Als ich über die jetzt menschenleere offene Fläche hinausblickte, spürte ich den ersten Stich der Scham. Wie lang war es her, seit ich das letzte Mal etwas so Dummes getan hatte? Ich hatte es immer zu würdigen gewusst, dass Clay niemals versuchte, meine Schlachten für mich zu schlagen, niemals eingriff, es sei denn, ich war ernsthaft in Gefahr. Als er mich gewarnt hatte, es sein zu lassen, hätte ich wissen sollen, dass er einen guten Grund hatte.
Ich entschuldigte mich für das schwachsinnige Manöver, und er erwiderte nur: »Begleitumstände.« Sonst nichts, aber es war alles, was gesagt werden musste.
Es waren wirklich die Begleitumstände gewesen – Tesler in Kombination mit diesem verdammten Brief, beides zu dicht hintereinander, und all die alten Ängste waren wieder aufgestiegen. Eine Erklärung, aber keine Entschuldigung. Wenn ich Alpha sein sollte, dann durfte ich keine solchen Schwachstellen haben. Ich würde über mein Ego und meine Ängste und meine Wut hinwegkommen und meinem Leibwächter vertrauen müssen.
Ich blieb nur lang genug oben auf dem Zugdach, um zu Atem zu kommen. Dann kletterten wir hinunter, kehrten auf der gleichen Strecke zurück, fanden Teslers Fährte und folgten ihr. Ein wirklicher Krieger hätte auf uns gewartet und einen Hinterhalt gelegt. Tesler war geradewegs auf einen breiten Bach zugelaufen, der den Schildern am Ufer zufolge ein beliebter Angelplatz war, und in das eisige Wasser hineingewatet, um seine Fährte zu verwischen.
Wir gingen die Ufer etwa hundert Meter weit ab und kamen dann zu dem Schluss, dass es vermutlich klüger war, sein nächstes Ziel zu erraten: zurück zu seinem Bruder und seinem Kumpel. Wir machten uns in die entsprechende Richtung auf den Weg.
18 Fragen
A ls Clay mir nachgekommen war, hatten die beiden anderen Mutts ihn nur bis zur Ecke des Gebäudes verfolgt, wie Hunde, die einen Eindringling pro forma vom Grundstück zu vertreiben versuchen und dabei die ganze Zeit hoffen, dass er nicht kehrtmacht und sich mit ihnen anlegt. Dann waren sie dort geblieben und hatten auf Tesler gewartet. Unglücklicherweise war er nicht zurückgekommen. Wir hatten uns in ihre Nähe geschlichen, als er gerade seinen Bruder anrief und die beiden offenbar anwies, sich irgendwo in der Stadt mit ihm zu treffen.
»Hinterher?«, fragte Clay.
Ich schüttelte den Kopf. »Das würden sie merken, bevor wir den Treffpunkt erreicht haben, und in der Stadt mitten am Tag können wir nichts bewirken. Ich schlage vor, wir greifen uns einen von ihnen und stellen ihm ein paar Fragen.« Ich spähte kurz um die Ecke, um die beiden zu mustern. »Wir haben den kleinen Bruder vom Anführer und einen Gefolgsmann.«
»Der Bruder«, sagte Clay. »Erst verhören, dann als Geisel behalten.«
»Wo?«
Clay zuckte die Achseln. »Ist mir egal. Fesseln und hier draußen liegen lassen. Oder umbringen und so tun, als hätten wir ihn noch, hoffen, der große Bruder schluckt’s.«
Ich schüttelte den Kopf. »Er ist ein Verwandter, er wird nicht reden, und wenn Tesler sich überlegt, dass er keinen übertriebenen Wert drauf legt, sein Brüderchen zurückzukriegen, sind wir angeschmiert.«
»Du bist der Boss.«
»Bist du anderer Meinung?«
Er beugte sich vor, um einen Blick auf die beiden Männer zu werfen. »Ich glaube nicht, dass es so oder so eine sichere Sache ist.«
»Dann versuchen wir’s mit dem Gefolgsmann.«
Beute aus einer Zweierherde heraus zu schlagen kann schwierig sein, jedenfalls wenn der andere Teil sich dagegen verwahren will, dass jemand sich seinen Rudelgefährten unter den Nagel reißt. Dieser hier tat nichts dergleichen. Sobald er sah, dass wir es nur auf seinen Freund abgesehen hatten, rannte er los – wahrscheinlich, um sich seinem Bruder wieder anzuschließen.
Clay bewachte Dan, während ich ein Verhörzimmer suchte und fand – den Lagerraum eines Ladens, der Boote und Angelausrüstungen verlieh, ein Saisongeschäft, das im Augenblick geschlossen hatte.
Clay brachte den Mutt herein. Als wir ihn auf einen Stuhl setzten, begann er sich ernsthaft zu wehren, jedenfalls bis Clay ihm einen Schlag versetzte, der ihn hinreichend ausschaltete, dass wir ihm
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