Biss der Wölfin: Roman
ihn zu foltern.
Der Zuschauer war Eddie Tesler gewesen. Allem Anschein nach hatte er sich auf einem Stuhl am anderen Ende des Raums etabliert und war auch dort geblieben. Vielleicht war er mit der Vorgehensweise der beiden anderen nicht einverstanden, aber dann fanden wir neben dem Stuhl ein Rätselheft und einen Stift, die beide nach ihm rochen. Er hatte seine Zeit lieber dazu genutzt, ein paar Wortsuchrätsel zu lösen.
Ich fand Hinweise auf einen weiteren Zuschauer. Der Stuhl neben Eddies Stuhl roch ebenfalls nach Werwolf und wies ein paar Blutspritzer des jüngeren Stillwell auf, dessen Jacke Dan getragen hatte.
Ich folgte den Fährten ins Freie. Drei Werwölfe waren eingetroffen – die Teslers und Dan. Vier waren gegangen, einschließlich des jungen Stillwell. Eddie hatte sich während der Folter also nicht einfach etwas entspannt, er hatte eine Geisel bewacht. Vielleicht war dies der Grund, warum Joey behauptete, nicht zu wissen, wer sein jüngerer Verwandter war, und warum er so darauf aus war, dass wir die Mutts in Frieden ließen und nach Hause gingen.
Ich durchsuchte die Hütte nach weiteren Hinweisen auf den jungen Mann. Ich fand sie in Dennis’ Kommode. Die oberste Schublade war voller Kleidungsstücke, die nicht Dennis gehörten. Die meisten waren gewaschen, aber ein paar davon enthielten noch den Geruch des jüngeren Mannes. Weitere Nachforschungen förderten eine Zahnbürste, einen Stoß Comic-Bände und ein Handheld-Spiel zutage, alle mit demselben Geruch getränkt. In die Spielkonsole war ein Name eingeritzt worden: Noah Albright. Ein paar der Comic-Bände wiesen dieselben Initialen auf.
Während ich suchte, begann sich eine Geschichte zusammenzufügen. Noah war Dennis’ spät im Leben gezeugter Sohn. Er war bei seiner Mutter aufgewachsen, bis er in die Pubertät kam. Dann hatte Dennis Kontakt zu ihm aufgenommen, dem jungen Mann die Situation erklärt und ihm durch die ersten Wandlungen geholfen, die dem Geruch nach nicht länger als ein Jahr zurückliegen konnten. Der Junge war bei seiner Mutter geblieben, verbrachte aber einen Teil seiner Zeit bei seinem Vater hier in der Hütte. Und während eines seiner Besuche waren die Mutts aufgetaucht.
War das der Grund dafür gewesen, dass Dennis sterben musste? Das neue Rudel war auf seiner Schwelle erschienen, sein halbwüchsiger Sohn war gerade bei ihm, und der sonst so passive Dennis hatte gekämpft, um ihn zu schützen?
Aber wo war dann der Junge? War er noch am Leben? Ich hoffte es, und ich war mir sicher, dass Joey es glaubte – oder dass man es ihn hatte glauben lassen. Aber was mich persönlich betraf? Ich bezweifelte es sehr.
Ich wandelte mich zurück, bevor wir uns auf den Rückweg machten. Der Abend war immer noch ruhig, aber die Ruhe hatte nichts Unnatürliches. Es hatte keinerlei Hinweise auf das Wesen gegeben. Kein Anzeichen für die Gegenwart der Werwölfe. Keine Spur von den Wölfen.
Nach drei Wandlungen innerhalb von zwei Tagen waren meine Energievorräte etwas reduziert, und mein Magen knurrte. Ich hätte damit leben können, später irgendetwas Essbares zu besorgen, aber als wir an einer offenen Wiese vorbeikamen, brachte Clay mich zum Stehen und ließ die Ohren spielen, um mir mitzuteilen, ich sollte lauschen.
Der Schnee war hier tiefer, und ich hörte unter ihm ein kratzendes Geräusch. Clay duckte sich; sein Hinterteil zuckte. Dann machte er einen Satz in den Schnee hinein und kam wieder zum Vorschein, Kopf und Pelzkragen dick mit dem weißen Zeug bedeckt und eine kreischende Maus zwischen den Kiefern.
Er warf sie mir zu. Ich fing sie. Kaum hatte ich sie verschlungen, hatte Clay bereits die nächste gefangen. Diesmal behielt er sie; er warf den Kopf in den Nacken, um sie zu verschlucken.
Ich stürzte vor und übernahm meinen Teil an dem Spiel. Wir rasten über die Lichtung, ohne jeden Versuch, zu pirschen und zu jagen; wir pflügten einfach durch den Schnee, sammelten Mäuse ein, töteten sie mit einem einzigen kräftigen Biss und schlangen sie hinunter.
Die Mäuse hätten in Deckung gehen können, aber die meisten von ihnen erstarrten vor Panik – wie Dorfbewohner, die an Scharfschützen gewöhnt sind und plötzlich von einer Horde tobender Berserker angegriffen werden. Das machte uns die Jagd leicht, und wir hatten unseren Spaß bei dem Wettbewerb, wer die meisten fing.
Sobald ich mich satt gefressen hatte, ließ ich mich da, wo ich gerade stand, auf den Boden plumpsen; mein Magen gurgelte zufrieden. Clay kam
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