Biss der Wölfin: Roman
zu mir herübergeschlendert und ließ sich auf mich drauffallen. Ich schüttelte ihn ab, und wir balgten uns – allerdings nur halbherzig, wir waren zu satt und zu müde.
Ich rollte mich dicht neben ihm zusammen. Als ich meine eiskalte Nase unter meinen Schwanz schob, fing ich mit dem Wind eine Spur Werwolfgeruch auf. Ich erstarrte. Das Bild von Travis Tesler zuckte mir durchs Hirn, unmittelbar gefolgt von einem Augenblick der Panik, der mir das Herz stillstehen ließ, bevor mein Hirn den Geruch einordnen konnte. Es war kein Angehöriger von Teslers Rudel.
Clay grunzte und ließ die Nase nach links schwenken. Ich konnte den undeutlichen Umriss eines dunklen Wolfs zwischen den Bäumen erkennen. Ich wollte aufstehen, aber Clay stieß mein Vorderbein an und teilte mir mit, ich sollte mich wieder hinlegen. Offensichtlich hatte er den Werwolf bereits vor mir gerochen oder gesehen und war zu dem Schluss gekommen, dass er keine Bedrohung darstellte.
Der Wolf blieb, wo er war, blickte einfach zu uns herüber, und als ich in seine Richtung spähte und den dunkelroten Pelz und die grünen Augen sah, war mir klar, dass es der Mutt war, der in der vergangenen Nacht mit dem Wolfsrudel zusammen gewesen war. Clay grunzte wieder, um mir zu sagen, ich sollte mich entspannen. Ich rollte mich neben ihm zu einer Kugel zusammen, und bald war ich über der Wärme seines Körpers und dem stetigen Pochen seines Herzschlags am Einschlafen.
Ich war fast weggedämmert, als Clay sich verspannte. Bevor ich auch nur die Augen öffnen konnte, sprang er auf die Füße, wobei er mich versehentlich in die zerschlagenen Rippen boxte.
Ich drehte mich um und sah den Mutt auf uns zuschießen, die Lefzen zu einem Fauchen nach hinten gezogen. Während er anrannte, blieb Clay stehen, den Pelz gesträubt, die Ohren nach hinten gelegt; das Knurren grollte über die Lichtung. Der Mutt wurde nicht langsamer, aber dann bog er im allerletzten Moment ab, schwenkte um Clay herum und rannte auf mich los.
Ich wappnete mich und knurrte, aber er hörte es nicht. Clay stürzte sich auf ihn, ein wirbelndes Bündel aus Pelz und zuschnappenden Zähnen. Der Mutt scherte aus und schoss davon; der Schnee stob nur so in seinem Kielwasser, als er quer über die Lichtung pflügte, einen weiten Bogen beschrieb und zurückkam.
Als er auf mich zustürzte, wappnete ich mich zum zweiten Mal. Aber wie bei Clay bremste er im letzten Moment ab; dann schnappte er zu, erwischte mein Vorderbein in einem scharfen Biss. Ich schoss auf ihn los, aber er stürmte bereits wieder davon.
Wieder begann er mit seinem großen Bogen, rannte mit aller Kraft und dicht am Boden. Ich warf einen Blick zu Clay hinüber. Suchte der Typ Streit? Oder wollte er Fangen spielen?
Clay senkte den Kopf und schnaubte. Das Spielen ist bei Wölfen ein streng geregeltes Verhalten. Innerhalb des Rudels besagt es: »Ich vertraue dir genug, um dir gegenüber nicht auf der Hut zu sein.« Vielleicht hatte dieser Mutt uns spielen sehen und fragte jetzt, ob er mitmachen durfte, wie ein einsames Kind auf dem Spielplatz. Clay würde sich nicht drauf einlassen – Spielen war etwas, das seinen Rudelbrüdern vorbehalten war, und nichts für Fremde.
Clay knurrte, um dem Typ mitzuteilen, dass er ihm auf die Nerven ging. Als er das Hinterteil wieder auf den Boden senkte, stürzte der Mutt vor. Clay machte einen Satz. Der Mutt duckte sich und schoss aus dem Weg, dann kam er wieder an.
Clay sprang mit einem Aufbrüllen vor. Als der Mutt zurückprallte, rannte Clay weiter, bereit, ihn ordentlich zu verprügeln und alle Missverständnisse auszuräumen. Ich stürzte hinter ihm her, packte ihn an seinem Pelzkragen und riss ihn nach hinten. Er tanzte auf den Hinterbeinen, fauchte und schüttelte sich, um mich loszuwerden, aber ich hielt fest und knurrte.
Als ihm klar wurde, dass es mir ernst war, hielt er inne. Während der Mutt vor uns hin und her schoss, ließ ich Clay los und starrte zum Wald hinüber. Er verstand – der Typ gab sich einfach zu viel Mühe, uns zu einer Verfolgungsjagd zu bewegen.
Ich hatte die Möglichkeit, dass er zu Teslers Rudel gehören könnte, zuvor nie erwogen. Ein Mutt, der vielleicht nicht ganz richtig im Kopf war, der sich für einen Wolf hielt, es vorzog, mit den Wölfen zu rennen und die eigentliche Arbeit seinen Freunden zu überlassen. Doch jetzt hatte man von ihm verlangt, seinen Teil zu erledigen.
Als ich auf und ab zu gehen und im Wind zu schnuppern begann, rechnete ich damit, dass der
Weitere Kostenlose Bücher