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BIS(S) ZUM ERSTEN SONNENSTRAHL

BIS(S) ZUM ERSTEN SONNENSTRAHL

Titel: BIS(S) ZUM ERSTEN SONNENSTRAHL Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephenie Meyer
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diese Vampire wütend zu sein, von denen ich wirklich glaubte, dass sie sich nur selbst verteidigt hatten, verspürte ich einen eigenartigen Anflug von Zorn. Er lag beinahe außerhalb meiner selbst, als wäre es ein Überrest der Schlacht, die gerade stattgefunden hatte.
    Der Zorn ließ mich aber nicht unvorsichtig werden, weil ich zu traurig war - todunglücklich. Ich musste immerzu an Diego denken und ich konnte nicht umhin mir vorzustellen, wie er gestorben war.
    Ich war sicher, dass er Riley auf keinen Fall freiwillig unsere Geheimnisse verraten hatte - Geheimnisse, die mich dazu gebracht hatten, Riley so lange zu vertrauen, bis es zu spät war. In meinem Kopf sah ich wieder Rileys Gesicht vor mir - diese kalte, glatte Miene, die er aufgesetzt hatte, als er gedroht hatte, jeden von uns zu bestrafen, der sich nicht benahm. Ich hörte erneut seine makabre und ungewöhnlich detaillierte Beschreibung -
wenn ich euch zu ihr bringe und euch festhalte, während sie euch die Beine ausreißt und dann langsam, ganz langsam eure Finger, Ohren, Lippen, eure Zunge und alle anderen überflüssigen Körperteile einen nach dem anderen verbrennt.
    Jetzt wurde mir klar, dass das die Beschreibung von Diegos Tod gewesen war.
    In jener Nacht war ich mir sicher gewesen, dass sich irgendetwas an Riley verändert hatte. Der Mord an Diego hatte Riley verändert, hatte ihn härter gemacht. Nur eins der Dinge, die Riley mir je gesagt hatte, glaubte ich noch:
    Er hatte Diego höher geschätzt als alle anderen von uns. Hatte ihn sogar gemocht. Und trotzdem hatte er unserer Schöpferin dabei zugesehen, wie sie ihm wehtat. Zweifellos hatte er ihr geholfen. Er hatte Diego mit ihr zusammen umgebracht.
    Ich fragte mich, wie viel Schmerz nötig gewesen wäre, damit ich Diego verraten hätte. Eine ganze Menge, nahm ich an. Und ich war sicher, dass es mindestens genauso viel gebraucht hatte, damit Diego mich verriet.
    Mir war schlecht. Ich wollte die Vorstellung von Diego, der Todesqualen litt, aus meinem Kopf verbannen, aber ich wurde sie nicht los.
    Und dann schrie jemand auf der Wiese.
    Meine Augenlider flatterten, aber Jasper knurrte grimmig und ich presste sie sofort wieder zusammen. Ich hatte nichts gesehen außer dichtem, lavendelfarbenem Rauch.
    Ich hörte Rufe und ein eigenartiges, wildes Geheul. Es war laut und vielstimmig. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie sich ein Gesicht verzerren musste, wenn man so ein Geräusch hervorbringen wollte, und mein Unverständnis ließ den Klang nur noch furchterregender erscheinen. Diese gelbäugigen Vampire waren so anders als wir. Oder anders als
ich,
besser gesagt, weil außer mir keiner mehr übrig war. Riley und unsere Schöpferin waren inzwischen längst über alle Berge.
    Ich hörte, wie Namen gerufen wurden:
Jacob, Leah, Sam.
Es waren viele verschiedene Stimmen, und das Heulen hielt die ganze Zeit über an. Natürlich hatte uns Riley auch belogen, was die Anzahl der Vampire hier anging.
    Das Geheul verklang, bis nur noch eine Stimme übrig war, ein gequältes, unmenschliches Jaulen, das mich die Zähne zusammenbeißen ließ. Ich sah Diegos Gesicht so deutlich vor mir und das Heulen klang wie sein Geschrei.
    Ich hörte, wie Carlisle über die anderen Stimmen und das Heulen hinweg sprach. Er bat darum, sich etwas ansehen zu dürfen. »Bitte lasst mich mal gucken. Bitte lasst mich helfen.« Ich hörte nicht, dass ihm jemand widersprach, aber aus irgendeinem Grund klang sein Tonfall fast resigniert.
    Und dann erreichte das Jaulen eine neue durchdringende Intensität und plötzlich sagte Carlisle aus tiefstem Herzen: »Danke«, und außer dem Jaulen war das Geräusch vieler sich bewegender Körper zu vernehmen. Viele schwere Schritte, die näher kamen.
    Ich lauschte aufmerksamer und vernahm etwas Unerwartetes und völlig Unmögliches. Heftiges Atmen - und ich hatte niemanden in meinem Clan je so atmen hören - und Dutzende pochender Geräusche. Beinahe wie ... Herzklopfen. Aber ganz sicher keine menschlichen Herzen. Dieses spezielle Geräusch kannte ich gut. Ich schnüffelte angestrengt, aber der Wind wehte aus der anderen Richtung und ich konnte nur den Rauch riechen.
    Ohne Vorwarnung berührte mich etwas, umfasste fest beide Seiten meines Kopfs.
    Meine Augen klappten panisch auf, als ich mich ruckartig aufrichtete, um mich aus diesem Griff zu befreien, und begegneten augenblicklich Jaspers warnendem Blick ungefähr fünf Zentimeter von meinem Gesicht entfernt.
    »Lass das«, fuhr er mich an und

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