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Bissgeschick um Mitternacht

Titel: Bissgeschick um Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Gehm
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Radio haben sie eben eine Flutwarnung durchgegeben«, fuhr Helene fort. »Auf der Bindau kommt eine gewaltige Flutwelle auf die Stadt zu, ausgelöst von dem Orkan.«
    »Welcher Orkan?«
    »Der Orkan, der sich auf einmal in Luft aufgelöst hat. Es kam alles in den Nachrichten. Der Orkan sollte Bindburg in dieser Nacht erreichen, doch dann war er auf einmal verschwunden. Auf seinem Weg Richtung Bindburg hat er aber auf der Bindau eine Flutwelle ausgelöst, die in weniger als einer Stunde hier sein soll. Die Meteorologen stehen vor dem größten Rätsel in der Geschichte der Wetteraufzeichnungen, sagen sie.«
    »Aber, wenn eine Flutwelle auf die Stadt zurollt«, sagte Ludo, »wieso ist es dann so ruhig in der Stadt? Bricht dann nicht meistens Panik aus, Leute schleppen Sandsäcke, blasen Gummiboote auf, stülpen sich Schwimmflossen über und so weiter?«
    »Ein Problem ist, dass es mitten in der Nacht ist und viele schlafen. Das größere Problem aber ist, dass die meisten Leute meinen, die Flutwelle gibt es gar nicht. Sie halten sie für einen schlechten Meteorologenscherz. Denn den Orkan hat es ja schließlich auch nicht gegeben«, erklärte Helene.
    Ludo starrte vor sich hin. »Och doch«, sagte er dann langsam. »Die Flutwelle gibt es. Ich habe sie mit eigenen Augen gesehen. Jetzt verstehe ich auch, was das ganze Wasser zu bedeuten hat. Aber ich verstehe immer noch nicht, warum ich Silvania und Daka in den Fluten sehe. Der Lindenweg liegt doch gar nicht an der Bindau.«
    »Silvania und Daka sind nicht im Lindenweg«, sagte Helene. Sie holte schnell einen zerknitterten Zettel aus der Jeans. »Sie haben mir diese Fledermauspost geschickt. In dieser Nacht hängen sie kopfüber in Lamadecken eingewickelt an einem geheimen Ort, da sie sich verpuppen sollen – zum Mensch oder zum Vampir.«
    »Das ist ja furchtbar«, sagte Ludo.
    »Ich fände es auch furchtbar, wenn sie Menschen werden und nicht mehr fliegen und flopsen können«, erwiderte Helene.
    »Nein. Es ist furchtbar, dass sie irgendwo hilflos baumeln, während eine Flutwelle auf die Stadt zukommt«, sagte Ludo. »Deswegen habe ich sie in meiner Vision gesehen – wahrscheinlich hängen sie irgendwo in der Nähe der Bindau. Womöglich sogar direkt am Ufer.«
    Helene zückte ihr Handy wie ein Sheriff die Pistole. »Auch wenn der Ort geheim ist, irgendjemand muss ja wissen, wo Silvania und Daka hängen«, erklärte Helene, während das Telefon bereits die Nummer von Familie Tepes wählte.
    Helene lauschte einen Moment auf das Freizeichen am anderen Ende der Leitung. Es klingelte zehn Mal, dann ging der Anrufbeantworter an. (Frau Tepes lag bereits im Bett, hatte dicke Kopfhörer auf, hörte bei voller Lautstärke eine Sammlung der größten Hits ihrer Jugend und sang in Gedenken an ihre eigene Pupertät inbrünstig mit. Herr Tepes und Oma Zezci hörten weder Elvira noch das Telefonklingeln. Sie waren im Keller und gönnten sich nach dem Sieg über den Orkan ein aufheiterndes Rennzeckenwettrennen. Doch das alles wussten Helene und Ludo natürlich nicht.)
    Helene legte auf, ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Sie sah Ludo an und zuckte mit den Schultern. »Vielleicht suchen sie Silvania und Daka schon. Oder haben sie schon abgehängt.«
    »Das glaube ich nicht. Wenn sie nicht mehr in Gefahr wären, hätte ich sie nicht in meiner Vision gesehen«, erwiderte Ludo. »Helene, wir müssen die Sache selbst in die Hand nehmen. Wir müssen Silvania und Daka suchen und abhängen! Und zwar schnell.«
    »Aber die Bindau ist kilometerlang. Sie fließt durch die ganze Stadt«, sagte Helene.
    »Ich kann versuchen, etwas zu sehen. Wenn ich mich auf Silvania und Daka konzentriere, erkenne ich vielleicht etwas im Hintergrund«, sagte Ludo.
    Helene kramte in ihrer Hosentasche. »Hier«, sagte sie und drückte Ludo mehrere kleine, schwarze, stachelige Borsten in die Hand.
    »Was ist das?«
    »Das sind die Stachelhärchen, die Daka neulich an den Beinen gewachsen sind. Ich fand sie so cool, dass ich ein paar aufgehoben habe, als sie ausfielen«, erklärte Helene. »Vielleicht kannst du so besser eine Verbindung zu Daka und Silvania herstellen.«
    Ludo nickte, umschloss Dakas Stachelbeinhärchen mit der Hand und drückte sich die Faust an die Brust. Den anderen Arm streckte er wie eine Antenne nach oben. Er schloss die Augen, holte tief Luft und blies die Backen auf. Dann schnaufte er mehrmals kräftig und grunzte leise.
    Helene musterte Ludo gebannt und knetete die Hände.
    Ludos

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