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Bissgeschick um Mitternacht

Titel: Bissgeschick um Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Gehm
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bei Problemen, die einem nicht aus dem Kopf gehen wollten, vor, alles aus einer anderen Perspektive zu betrachten.
    Das tat Ludo jetzt. Er stand schon 25 Minuten auf dem Kopf. Sein Schädel tat weh. Seine Zehen kribbelten. Er musste mal. Aber durch seinen Kopf spukten noch dieselben Gedanken wie zuvor.
    Er seufzte. Vielleicht halfen die Tipps aus dem ›Kleiner Ratgeber zum Seelenfrieden‹ nur bei normalen Menschen und nicht bei jemandem, der hellsehen und mit Geistern reden konnte.
    Ludo zog die Beine an, rollte ab und kam mit dem Rücken am Kleiderschrank zum Sitzen. Er starrte an die weiße Wand gegenüber. Doch alles, was er dort sah, war Wasser. Ein gewaltiger Strom, eine Welle, nicht enden wollende Wassermassen. Sie verschlangen alles, was sich ihnen in den Weg stellte, rissen es mit sich. Ludo wusste nicht, woher das Wasser kam. Doch seit den letzten zwei Stunden spukte ihm dieser gewaltige Strom im Kopf herum. Ludo hatte das Gefühl, das Wasser schwoll immer mehr an, wurde immer mächtiger.
    Die Wassermassen waren nicht das Einzige, was Ludo in dieser Nacht nicht schlafen ließ. Zwischen den schäumenden Wogen tauchten immer wieder zwei Gesichter auf. Ludo waren die Gesichter wohl vertraut. Er sah sie fast jeden Tag. Es waren die Gesichter von Silvania und Daka. Ludo erkannte sie genau, obwohl etwas an ihnen anders war als sonst. Erst hatte er nicht gewusst, was es war. Aber je öfter die Gesichter der Vampirschwestern zwischen den Wellen zum Vorschein kamen, desto bewusster wurde es ihm: Silvania und Daka hatten zwar die gleichen Augen, Nasen, Münder und Wangen, aber der Ausdruck auf ihren Gesichtern war ein vollkommen anderer. So hatte er die Schwestern noch nie gesehen. In ihren Augen stand die nackte Angst. Sie hatten sie vor Panik weit aufgerissen, ebenso die Münder, aus denen ein stummer Schrei des Entsetzens zu dringen schien.
    Ludo rieb sich mit beiden Händen den Kopf an den Schläfen. Er verstand das alles nicht. Wieso sah er Wassermassen voraus? Es hatte noch nicht einmal geregnet. Bindburg lag auch nicht am Meer. Oder handelte es sich nur um einen Wasserschaden im Haus der Tepes'? Wieso hatten Silvania und Daka dann so verängstigte Gesichter? Was hatten sie überhaupt zwischen den Wellen zu suchen? Sie wirkten auf jeden Fall nicht so, als hätten sie sich freiwillig zum fröhlichen Planschen in die Wogen gestürzt.
    Je länger Ludo darüber nachdachte, warum Silvania und Daka in den Wassermassen schwammen, desto absonderlicher wurden seine Ideen. Vielleicht waren sie über Nacht ans Meer geflogen. Oder in ein Wellness-Wellenbad. Vielleicht wurden sie von Dirk van Kombast durch die Kanalisation von Bindburg gejagt. Oder er hatte sie in eine riesengroße Vampir-Waschmaschine gesteckt.
    In Ludos Kopf wirbelten die seltsamsten Ideen zusammen mit den gewaltigen Wellen durcheinander. Er hielt es nicht mehr zu Hause aus. Er musste mit jemandem reden. Seine Eltern kamen nicht infrage. Nicht nur, weil sie schliefen, sondern auch, weil sein Vater nur den Kopf geschüttelt hätte und seine Mutter ihm gegen die Wassermassen in seinem Kopf eine heiße Milch mit Honig gekocht hätte.
    Am besten war es wahrscheinlich, beschloss Ludo, wenn er gleich direkt mit seinen transsilvanischen Freundinnen sprach. Doch Silvania ging nicht an ihr Handy. Daka hatte kein Handy. Vielleicht wusste Helene irgendetwas. Allerdings hatte er von ihr keine Telefonnummer.
    Aber zum Glück wohnte Helene nur zehn Minuten zu Fuß von den Schwarzers entfernt. Und nur fünf Minuten mit dem Longboard. Zu den Tepes war es viel weiter. Ludo beschloss, Helene einen nächtlichen Besuch abzustatten. Irgendwie würde er sie schon wach bekommen, und wenn er ihr Fenster einschlagen musste.

Helene hellwach
    L udo fuhr mit dem Longboard in einer Rekordzeit von drei Minuten und 36 Sekunden zu Helene. Er musste kein Fenster einschlagen. Es war kein Problem, Helene wach zu bekommen. Helene war hellwach. Kaum hatte Ludo ein Kieselsteinchen an ihr Fenster geworfen, hatte sie es aufgerissen und ihm zugerufen, dass sie runterkomme.
    »Hast du es auch gehört?«, fragte Helene, kaum dass sie die Haustür geöffnet hatte.
    Ludo saß im Schneidersitz auf seinem Longboard und sah Helene fragend an. »Was gehört? Ich hab nur was gesehen.«
    »Im Fernsehen?«
    Ludo tippte sich an die Schläfe. »In meinem Kopf. Lauter Wasser.«
    »Das ist sie! Die Flutwelle!«, rief Helene.
    Ludo riss die Augen auf und wäre beinahe rückwärts vom Longboard gekippt.
    »Im

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