Bissgeschick um Mitternacht
beiden Schwestern? Oder doch lieber auf das schlummernde Tier unter ihnen?
Dirk van Kombast beschloss, bei der Entscheidung knallhart und klug wie ein erfahrener Vampirjäger vorzugehen. Seine Zähne gingen kaum auseinander, als er flüsterte: »Ene, mene, mopel, wer frisst Popel, süß und saftig, eine Mark und achtzig, eine Mark und zehn und du kannst ...«
Plötzlich knirschte der Kies hinter ihm. Dirk van Kombast fuhr herum. Auf dem Weg, der am Nashorngehege vorbei und zum Schildkrötenhaus führte, standen zwei kleine Gestalten. Es waren ein Mädchen mit langen, hellen Haaren und ein Junge mit halblangen, dunklen Haaren. Sie blieben stehen und starrten den Vampirjäger stumm an. Eine Sekunde hielt Dirk van Kombast es für möglich, dass es Besucher aus einer fernen Galaxie waren, die ihn jeden Moment mit einem galaktischen Leuchtstrahl direkt aus ihrem Zeigefinger lähmen und als menschlichen Prototyp in ihr Raumschiff befördern und auf ihren Planeten entführen würden.
Doch als er genauer hinsah, erkannte er die Kinder. Das Mädchen war die beste Freundin der Vampirschwestern. Helene Steinbrück. Sie hatte ihm schon einmal bei der Vampirjagd einen Strich durch die Rechnung gemacht. Es war mitten in den transsilvanischen Wäldern gewesen. Dirk van Kombast war kurz davor gewesen, der Polizei einen Vampir auszuliefern, als sich dank Helene Steinbrück das Blatt gewendet hatte und nicht der Vampir, sondern der Vampirjäger im rumänischen Gefängnis landete.
Den Jungen hatte Dirk van Kombast auch schon ein paarmal bei den bissigen Nachbarmädchen gesehen. Aus ihm unerfindlichen Gründen nannten die Mädchen ihn ›Luder‹. Aus Sicht des Vampirjägers hatte der Junge diesen albernen Spitznamen allerdings durchaus verdient, wenn er mit den transsilvanischen Schwestern unter einer Lamadecke steckte.
»Was wollt ihr hier? Der Zoo ist geschlossen«, sagte Dirk van Kombast.
»Was wollen Sie denn hier?«, erwiderte der Luder-Junge.
»Dringender Medikamententransport, was?«, fügte Helene hinzu. »Hat das Nashorn Verstopfung?«
In dem Moment fielen dem Vampirjäger wieder die baumelnden Mädchen und das riesengroße Nashorn ein, das direkt unter ihnen schlief. Er drehte sich zum Gehege um und setzte erneut die Zwille an.
»Was immer Sie jetzt vorhaben, tun Sie es nicht!«, sagte das Luder.
Die beiden Kinder waren mit drei schnellen Schritten neben dem Vampirjäger. Der aber ließ seine Beute nicht aus den Augen. »Wenn ich nur wüsste, was ich vorhabe«, murmelte er durch zusammengepresste Zähne.
»Sie wissen nicht, was Sie hier wollen?«, fragte Helene erstaunt.
»Natürlich weiß ich das.« Dirk van Kombast warf ihr kurz einen verärgerten Seitenblick zu. »Ich will die Vampire fangen, um zu beweisen, dass es sie gibt. Aber wenn ich sie abschieße, sie vom Baum fallen und vom Nashorn aufgespießt werden, habe ich nichts gekonnt. Es ist ein Dilemma!«, rief der Vampirjäger und hätte sich am liebsten die blonden Haare gerauft. Aber das ging nicht, da er eine Zwille in der Hand und zwei Halbvampire direkt vor der Nase hatte.
»Was ist ein Dilemma?«, kam eine gedämpfte Stimme aus dem Nashorngehege.
Die Köpfe der Zoobesucher wandten sich ruckartig dem Gehege zu.
Vampirjäger mit
Gewissensbissen
D irk van Kombast, Helene und Ludo starrten in das Nashorngehege, aus dem eben eine Stimme gekommen war.
»Daka? Bist du das?«, fragte Ludo.
Von Dakas Gesicht war nur die Partie von der Stirn bis zur Nase zu erkennen. Der Rest war unter der Lamadecke verborgen. Trotzdem konnte man sehen, dass Daka lächelte. »Ist ja echt boibine, dass ihr uns beim Verpuppen besucht.«
»Aber wie habt ihr uns gefunden?«, fragte eine andere gedämpfte Stimme. Silvania blinzelte. Als sie Helene und Ludo sah, leuchteten ihre Augen. Doch als sie Dirk van Kombast neben ihnen erkannte, runzelte sie die Stirn. »Und seit wann macht ihr nachts Ausflüge mit unserem Nachbarn?«
»Lange Geschichte. Keine Zeit«, antwortete Ludo und seine Stimme zitterte. Die Zwillinge waren leider nicht die Einzigen, die im Gehege aufgewacht waren. Ludo starrte auf das Nashorn. Es hob gerade den Kopf, wackelte mit den Ohren, dann mit dem Schwanz. Als es die nächtlichen Zoobesucher sah, stutzte es. Dann war es binnen einer Sekunde auf den Beinen. Es schnaufte und Helene, Ludo und der Vampirjäger wichen unwillkürlich mit den Oberkörpern zurück.
»Ruhig, Rhino«, sagte Helene mit bebender Stimme. Das Gitter, das die Zoobesucher vom Nashorn
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