Bissige Gäste im Anflug
Hocke und nahm Silvania den Strohhalm ab, den sie ihm hinhielt.
»Also dann: Boi memu!«, sagte Daka.
»Boi memu!«, erwiderten die anderen.
Gerade, als die vier Freunde die Strohhalme in die Wackelpuddingspinne steckten, verdunkelte sich der Himmel. Der Gipfel des Knochenhügels wurde samt Ludo, Helene, Silvania und Daka in absolute Finsternis getaucht, als hätte jemand eine schwarze Decke über sie geworfen. Etwas hatte sich vor den Mond geschoben. Etwas Gigantisches, Lautloses, Gefährliches. Ludo wusste sofort, dass es keine Wolke war.
Angriff der
Fledermonster
D aka, Silvania, Helene und Ludo sahen nach oben. Der Vollmond und die Sterne waren verschwunden. Als wären sie in ein schwarzes Loch gestürzt. Erst als sich ihre Augen an die tiefe Dunkelheit gewöhnt hatten, nahmen sie am Nachthimmel fünf schwarze Umrisse wahr. Gewaltige, bedrohliche, angsteinflößende Umrisse. Instinktiv duckten sich die vier Freunde.
Der Strohhalm in Silvanias Hand zitterte wie ein Dirigentenstab, der den Takt für den Säbeltanz von Chatschaturjan angab.
Daka blieb ein »Schlotz zoppo!« in der Kehle stecken. Am liebsten hätte sie sich zum Erdmittelpunkt geflopst.
Helene hatte den Strohhalm noch immer im Mund, obwohl ihre Lippen bebten.
Ludos Augenlider flackerten vor Entsetzen. Sollte alles, was er vorausgesehen hatte, eintreten?
»Was ist das?«, fragte Helene leise. Ihre Frage drang langsam und zäh wie Knete durch den Strohhalm zu den anderen.
»Fledermäuse«, sagte Daka mit belegter Stimme, ohne die Tiere dabei aus den Augen zu lassen.
Daka hatte recht. Über ihnen kreisten fünf Fledermäuse. Aber diese Fledermäuse hatten nichts mit den kleinen nachtaktiven Tieren zu tun, die in Höhlen oder Bäumen lebten und die Ludo und Helene aus Tierfilmen kannten. Sie hatten auch nichts mit den possierlichen Haustieren zu tun, die in der Heimatstadt der Vampirschwestern die Post ausflogen und andere Botenflüge erledigten.
Diese Fledermäuse waren keine Mäuse, es waren Fiedermonster. Ihre Körper waren so groß wie Gorillas. Und auch so behaart. Die Flügel waren gigantische schwarze Zelte, so gewaltig, dass sie ein ganzes Hausdach bedecken konnten. An den Fingerspitzen, zwischen denen sich die riesengroße schwarze Flugmembran spannte, prangten spitze Krallen. Ebenso an den Füßen. Die Krallen dort waren jedoch noch kräftiger, wie die eines urtümlichen Drachens.
Im Vergleich zum restlichen Körper war der Kopf der Fiedermonster eher klein. Die platte Nase mit den großen Nasenlöchern erinnerte an einen Affen, die gewaltigen Ohren an Haifischflossen. Das Gesicht war von stacheligen schwarzen Haaren bedeckt. Die Augen standen warzenartig hervor. Sie schimmerten wie wässrige Milch, hatten weder Pupillen, noch waren sie von Wimpern umgeben. Aus dem breiten Mund ragten mehrere kleine, spitze gelblich weiße Zähne.
Die gigantischen Fledermäuse kreisten mit ausgebreiteten Schwingen um den Gipfel des Knochenhügels. Jede von ihnen stieß in regelmäßigem Abstand einen Schrei aus, der Silvania, Daka, Helene und Ludo den Atem stocken ließ.
Ludo starrte auf die Krallen, die nur wenige Meter über seinen Kopf hinwegflogen. Er wusste, wo er diese Krallen schon einmal gesehen hatte: in seinem Albtraum. Alles trat so ein, wie er es geträumt hatte. Nur das Gewitter nicht. Ihm wäre lieber gewesen, er hätte sich bei den anderen Sachen geirrt. »Sind die irgendwie mit euch verwandt?«, fragte Ludo die beiden Halbvampire und deutete mit dem Kinn auf die Riesenfledermäuse über ihnen.
»Sehen die uns etwa ähnlich?« Daka warf Ludo einen beunruhigten Blick zu.
»Ich habe solche riesengroßen Fledermäuse noch nie gesehen«, hauchte Silvania.
»Die kommen nicht aus Transsilvanien?«, fragte Helene.
Daka und Silvania, die noch immer nach oben sahen, schüttelten die Köpfe.
»Aber woher dann?« Ludo sah einer Riesenfledermaus direkt ins milchige Auge. Er hatte das Gefühl, seine Knochen würden zerbrechlich wie Eierschalen.
»Vielleicht sind das irgendwelche Mutationen«, meinte Silvania.
»Genau. Fledermäuse, die zu lange in der Großstadt gelebt haben und dadurch selbst viel zu groß geworden sind«, sagte Daka. Ihre Stimme klang wie in einen Fingerhut gepresst.
»Und was wollen sie hier?«, fragte sich Helene laut. Voller Furcht folgten ihre Pupillen dem Flug der gewaltigen Tiere über ihnen.
»Oder von uns«, ergänzte Ludo.
»Vielleicht wollen sie ja gar nichts.« Silvanias Stimme zitterte. »Vielleicht
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