Bissige Gäste im Anflug
Nase.
Helene, die sonst alles aß, was in ihrer Reichweite war und nicht weglaufen konnte, ließ langsam die Gabel sinken.
Silvania warf ihrer Mutter einen fragenden Blick zu.
Diese zuckte die Schultern.
Daka überlegte, ob sie ihre Notration Schweineborsten aus dem Zimmer holen sollte.
Mihai Tepes hatte den halben Tag in der Küche gearbeitet. Die Tür musste dabei verschlossen bleiben. Den Geräuschen nach zu urteilen, die aus der Küche drangen, hatte er am Ende sämtliche Töpfe, Schüsseln und Rührgeräte benutzt. Jetzt sah er voller Stolz auf das Ergebnis seiner Arbeit. »Ich kann verstehen, dass sich keiner traut, so ein kulinarisches Kunstwerk anzuschneiden. Aber nur zu, lasst es euch schmecken!«
Noch immer rührte sich keiner.
»Mihai«, begann Elvira zögerlich. »Was ist das?«
»Das sieht man doch mit zwei Knoblauchzehen auf den Augen. Das ist eine Wackelqualle.«
»Eine Wackelqualle?« Daka riss die Augen auf. Ihr Papa hatte recht. Das Gebilde auf dem Tablett ähnelte wirklich einer Qualle. Einer etwas breitgelaufenen, gestrandeten Qualle.
»Eine Wackelqualle ... das ist ... sehr originell.« Silvania sah mit gerunzelter Stirn auf den Pudding.
»Ihr hattet doch beim Mitternachtspicknick eine Wackelspinne dabei. Und konntet sie nicht essen, weil ihr sie als Munition gegen die Flatliac Kolossos einsetzen musstet«, erinnerte Herr Tepes die Kinder. »Und da dachte ich mir, dann bekommt ihr eben heute euren Wackelpudding.« Herr Tepes zupfte sich am Kinn. »Ehrlich gesagt, sollte es eine Spinne werden. Komischerweise ist sie in die Breite gelaufen. Wie eine Qualle. Aber eine Qualle ist viel passender, um unsere Rettung durch das Schrille Q zu feiern.«
Elvira Tepes strich ihrem Mann über den Arm. Er hatte wirklich immer wunderbare Einfälle.
Herr Tepes hob ein Messer. »Also, wer will was? Die blau-schwarze Hälfte hier ist mit Blaubeeren und Lakritz, für Nichtflieger sozusagen. Die violettschwarze Hälfte ist mit Seetang, Schwarzdatteln und einem Schuss Blut. Etwas Herzhaftes für Vollblutflieger.«
»Nichtflieger«, riefen Helene und Ludo gleichzeitig und hielten Herrn Tepes den Teller hin.
Frau Tepes ließ sich ebenfalls einen Happen für Nichtflieger geben.
Silvania nahm von jeder Quallenhälfte ein Stück.
Daka nahm eine extragroße Portion für Vollblutflieger. Genau wie Herr Tepes.
Einen Moment war im Wohnzimmer nur Schmatzen, Gabelklappern und Schlürfen zu hören. Die Wackelqualle schmeckte besser, als ihr Name und die Zutaten vermuten ließen. Herr Tepes sah zufrieden, wie sich die Teller leerten. Er konnte eben nicht nur hervorragend fliegen, flopsen und beißen, sondern auch einen köstlichen Pudding zaubern. Das zeichnete den wahren Gentlevampir aus.
Frau Tepes deutete mit der Gabel auf die violettschwarze Quallenhälfte, die laut Koch mit einem Schuss Blut verfeinert war. »Habt ihr euren Laborkühlschrank im Institut so schnell wieder aufgefüllt, dass du etwas abzwacken konntest?«
Herr Tepes nickte. »Prof. Dr. Dr. h. c. Dobelhammer hat sich erstaunlich schnell wieder abgeregt, nachdem er vom Diebstahl der Blutproben erfahren hat. Eigentlich schade. Er wirkt sehr vampirisch, wenn er wütend ist.« Mihai Tepes sah einen Moment nachdenklich vor sich hin, dann spießte er mit der Gabel ein wabbeliges Puddingstück auf und fuhr fort: »Prof. Dr. Dr. h. c. Dobelhammer hat angeordnet, dass der Kühlschrank ordentlich gereinigt und dann schnellstens wieder gefüllt wird.«
»Und die Polizei? Hat die was herausgefunden?«, fragte Daka.
»Nur, dass sie vor einem Rätsel steht. Es gibt mehrere Theorien – die Inspektorin meinte, es könnte ein Tier gewesen sein, weiß aber nicht, welches. Oder es war nur ein lustiger Streich – keiner weiß allerdings, was daran lustig sein soll. Dann gibt es noch die Theorie, dass sich in einer der Blutproben ein neuer Krankheitserreger befand, der als biologische Waffe eingesetzt werden sollte, und dass das FBI, die CIA und der BND gemeinsam an den Blutproben interessiert sind. Bis jetzt haben alle diese Theorien in eine Sackgasse geführt. Und solange sie Vampol nicht einschalten, werden sie da auch nicht rauskommen.« Herr Tepes leckte genüsslich die Gabel ab.
Helene schmeckte die blau-schwarze Wackelqualle zwar sehr gut, dennoch rumorte es in ihrem Magen. Was dort für Unruhe sorgte, war eine Frage. Sie brach aus ihr heraus, kaum dass sie aufgegessen hatte. »Und die Transgiganten kommen wirklich nicht zurück?«
Herr Tepes
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