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Bisswunden

Bisswunden

Titel: Bisswunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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Minuten später.«
    »Herrgott im Himmel.«
    »Es macht sich nicht bezahlt, Dr. Kirkland in die Quere zu kommen. Er versteht keinen Spaß.«
    Ein eigenartiger Strom von Emotionen steigt in mir auf. »Louise, was würden Sie sagen, wenn ich Ihnen erzähle, dass mein Großvater Luke in jener Nacht erschossen hat? Kein Einbrecher?«
    Sie starrt mich sekundenlang an, dann beginnt sie den Kopf zu schütteln wie ein abergläubischer Eingeborener, der plötzlich einen Geist sieht. »Sagen Sie mir nicht so was! Ich will nicht mal daran denken!«
    »Wenn es Ihnen so viel Angst macht«, sage ich leise, »dann denken Sie wahrscheinlich, dass es wahr sein könnte.«
    Endlich hört sie mit Kopfschütteln auf. »Was wollen Sie damit sagen, Cat?«
    »Nichts. Verrückte Ideen.« Ich will ihr erzählen, was ich weiß, doch irgendetwas hindert mich daran. Ist es der Mangel an Beweisen für Großvaters Motive oder einfach nur Anstand? Louise hat wunderbare Erinnerungen an meinen Vater. Wozu wäre es gut, wenn ich diese Erinnerungen mit Anschuldigungen von Kindesmissbrauch trübe? »Darf ich einen Blick in Ihr Schlafzimmer werfen, Louise?«
    Ein wissender Ausdruck erscheint auf ihrem Gesicht. »Sie möchten wissen, ob Luke das Bett gebaut hat.«
    »Ja.«
    »Kommen Sie.«
    Sie führt mich zu einer Tür in der Rückwand und öffnet sie. In dem kleinen Schlafzimmer dahinter steht ein Bett, das aussieht, als gehöre es in ein Loft in Manhattan. Vier Bettpfosten aus gebürstetem Stahl tragen einen ovalen Baldachin, und Kopf- und Fußteil sind kunstvolle Muster aus verschiedenen Metallen, die mich an das Mandala aus der Praxis von Nathan Malik erinnern. Es ist eine der detailliertesten Arbeiten, die mein Vater jemals geschaffen hat.
    »Mein Gott«, flüstere ich. »Wissen Sie, was dieses Bett wert ist?«
    Louise lacht. »Ich habe eine ungefähre Ahnung. Ich schätze, dieses Bett ist das, was ich statt einer Rente habe.«
    »Bitte lassen Sie nicht zu, dass es irgendjemand stiehlt. Und wenn Sie es jemals verkaufen möchten, dann rufen Sie mich an.«
    »Ich nehme Sie eines Tages beim Wort.«
    Sie führt mich wieder nach vorne, und plötzlich stehen wir in verlegenem Schweigen da. Der ökonomische Abgrund zwischen uns könnte kaum größer sein.
    »Wie alt sind Sie, Louise?«
    »Sechsundvierzig.«
    Älter, als ich gedacht habe. Trotzdem, nur fünfzehn Jahre älter als ich. »Womit verdienen Sie Ihren Lebensunterhalt? Falls Sie mir die Frage gestatten.«
    Sie blickt zu Boden. »Ich habe einen Mann, der sich um mich kümmert. Ich behalte dieses Haus hier nur, weil … na ja, Sie wissen schon.«
    Das ist nicht die Antwort, die ich mir erhofft habe. »Ist dieser Mann Jesse Billups?«
    Louise seufzt, und für eine Sekunde fürchte ich die Antwort. »Nein«, sagt sie dann. »Nicht Jesse. Henry. Der Mann, der Sie auf die Insel gebracht hat. Er ist nicht so hübsch wie Luke, hat aber ein gutes Herz.«
    »Sind Sie verheiratet?«
    »Ich hab kein Interesse mehr am Heiraten. Ich hab lange Jahre davon geträumt, aber … der Mann, den ich heiraten wollte, ist ermordet worden. Das war für mich das Ende meines Traums.«
    Ich ergreife ihre Hand und drücke sie. Ich bin dieser Frau noch nie im Leben begegnet, und doch fühle ich mich ihr enger verbunden als manchen Leuten, die ich mein Leben lang kenne. Ich muss an das denken, was Großvater mir über den Tod meines Vaters erzählt hat, und irgendwie ergibt es keinen Sinn. Wie kann der Mann, den diese Frau so sehr geliebt hat, derart unaussprechliche Dinge mit einem Kind angestellt haben? Und doch – der Profi in mir weiß, dass solche Dinge geschehen.
    »Hört sich so an, als würde der Regen allmählich nachlassen«, sagt Louise.
    »Sie haben Recht. Ich sollte jetzt gehen, solange ich noch kann. Haben Sie einen Wagen?«
    Louise schüttelt den Kopf. »Nein, und Henry ist nach Lafayette gefahren, um seine Kinder zu besuchen. Sie wohnen bei seiner Exfrau.«
    »Was ist mit Jesse?«
    Louise öffnet eine Küchenschublade und nimmt ein Mobiltelefon hervor. Nachdem sie eine Nummer gewählt hat, lauscht sie abwartend. »Jesse, hier ist Louise. Ich hab immer noch Miss Ferry hier bei mir im Haus. Sie muss zurück nach Natchez. Schaff deinen kleinen Arsch hierher und bring sie zu ihrem Wagen. Ruf mich zurück und sag mir, dass du unterwegs bist.«
    Sie legt auf und blickt mich hilflos an.
    »Hat sonst irgendjemand einen Wagen, den wir borgen könnten?«, frage ich.
    »Jede Menge haben Autos, aber sie lassen sie auf

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