Bisswunden
verschanzen, weil Sie plötzlich paranoid geworden sind, verlieren wir Zeit, die wir nicht wieder gutmachen können. Wenn Sie nichts zu verbergen haben – nichts, was für diesen Fall relevant ist, heißt das –, dann haben Sie auch nichts zu verlieren, wenn Sie mit mir reden.«
Ich will ja mit ihm reden, doch ich weiß, dass ein fbi-Agent, trotz seiner besten Absichten, nicht verhindern kann, dass das nopd mich wegen Mordes an Malik verhaftet, wenn es das will. Auf der anderen Seite kann Kaisers Unterstützung mir nur nützen.
»Was wollten Sie von Malik?«, fragt er.
»Ich bin hergekommen, weil ich herausfinden wollte, in welcher Beziehung meine Tante Ann zu Malik gestanden hat. Und um ein paar Dinge über meine Vergangenheit zu erfahren.«
»Haben Sie mit ihm geredet?«
»Er war bereits tot, als ich hier ankam.«
»Wieso waren Sie bewusstlos?«
»Mein Schädel fühlt sich an, als hätte mich jemand niedergeschlagen.«
»Ihre Waffe wurde abgefeuert. Die Kugel hat Malik in der Brust getroffen.«
Ein eisiger Schock durchfährt mich. Kann es sein, dass ich Malik aus Versehen getötet habe? Nein … plötzlich sehe ich vor meinem geistigen Auge erneut den Spasmus von Maliks Leichnam, der mich so erschreckt hat. »Wenn das stimmt, dann war er jedenfalls bereits tot, als ich auf ihn geschossen habe. Oder beinahe tot. Die Autopsie sollte das beweisen. Er hatte einen Nervenspasmus. Ich habe mich zu Tode erschreckt und abgedrückt. Es war ein Versehen.«
Kaiser beobachtet Piazza mehrere Sekunden lang über meine Schulter hinweg. Dann nimmt er mich beim Arm und sagt: »Hören Sie mir zu, Cat. Hören Sie mir verdammt genau zu, und sagen Sie mir die verdammte Wahrheit, okay?«
»Ich höre.«
»Wenn Sie Nathan Malik erschossen hätten – würden Sie es wissen?«
Ein gazeartiger Film senkt sich über meine Augen, ein Gefühl, als würde ich durch eine Verzerrung der Wahrnehmung von Kaiser getrennt. Ich bin nicht sicher, ob durch seine oder meine. »Was wollen Sie damit sagen?«
»Ich habe in den vergangenen Tagen viel über Sienachgedacht, Cat. Ihre Panikattacken an den Tatschauplätzen. Ihre psychiatrische Vorgeschichte – zumindest der Teil, von dem ich weiß. Die Handschrift des Täters, in erster Linie Bisswunden, die auch gefälscht sein könnten. Sie wüssten besser als jeder andere, wie man das macht. Und die Tatsache, dass Sie als Kind sexuell missbraucht wurden …«
»Wer hat Ihnen das gesagt?«, unterbreche ich ihn mit bebender Stimme. »Hat Sean Ihnen das erzählt?«
»Ja.«
»Dieser Dreckskerl!«
»Es tut mir Leid, Cat, aber ich denke, Ihr posttraumatisches Stresssyndrom und der Missbrauch in Ihrer Kindheit haben Sie zu Malik hingezogen und Sie vielleicht zu seiner Patientin gemacht, ohne dass Sie davon wissen.«
»Gütiger Gott, Agent! Glauben Sie etwa allen Ernstes, ich könnte diese Männer umgebracht haben, ohne etwas davon zu wissen? «
Kaiser zuckt die Schultern. »Ich denke lediglich über eine Möglichkeit nach. Eine, auf die auch andere kommen könnten. Carmen Piazza beispielsweise. Sie weiß nicht alles, was ich weiß, aber was sie weiß, gefällt ihr nicht. Ich habe mir die Bänder mehrere Male angehört, auf denen Ihr Treffen mit Malik mitgeschnitten ist. Er hat Ihnen etwas über dissoziative Identitätsstörung erzählt und dass es nur ein anderer Name für eine multiple Persönlichkeit ist. Angesichts der Situation, in der wir Sie eben angetroffen haben, wäre es unverantwortlich von mir, wenn ich diese Möglichkeit nicht in meine Überlegungen mit einbeziehe.«
Under dem Druck von Piazza und den beiden Pitbulls, die mich immer noch anstarren, bringe ich kaum die nötigen Ressourcen zusammen, um mich gegen Kaisers Vorwurf zu verteidigen. »John, ich habe Nathan Malik nicht umgebracht! Ich habe ihm auch nicht geholfen, die sechs Opfer zu töten oder es selbst getan! Zugegeben, falls ich an einem dissoziativen Identitätssyndrom leide, würde ich mich nicht an irgendetwasvon alledem erinnern. Ich wäre fest von meiner Unschuld überzeugt. Aber haben Sie eine Ahnung, wie selten ein so stark ausgeprägtes Syndrom ist? Selbst unter sexuell missbrauchten Menschen? Es ist einer jener faszinierenden Mythen, ähnlich Amnesie. In den vergangenen zwanzig Jahren hat es mehr Fälle in Hollywood-Filmen gegeben als in der gesamten aufgezeichneten Medizingeschichte der Menschheit.«
Kaiser beobachtet mich nachdenklich wie ein Bomberpilot, der überlegt, ob er ein verdächtiges feindliches
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