Bisswunden
Dorf dem Erdboden gleichmachen soll oder nicht. Der kleinste Hinweis kann ihn sowohl in die eine als auch in die andere Richtung schwenken lassen.
»Wenn Sie zulassen, dass man mich ins Gefängnis steckt«, sage ich zu Kaiser, »dann verlieren Sie Ihre beste Chance, diesen Fall zu lösen.«
»Wieso?«
»Dr. Malik hat gesagt, dass ich die Wahrheit über das, was mit mir passiert ist, bereits kenne. Dass ich lediglich einen Weg finden muss, sie aus meinem Kopf ans Tageslicht zu zerren. Ich denke, das Gleiche gilt für diesen Fall, John. Irgendwie ist beides miteinander verbunden.«
»Vielleicht hat Malik über eine alternative Identität in Ihnen gesprochen?«
»Meine Güte, jetzt machen Sie mal halblang! Sie reden mit einer Frau, die von einem verheirateten Mann geschwängert wurde! Ich versuche mir das Trinken abzugewöhnen, und ich habe vor ein paar Tagen herausgefunden, dass ich von irgendjemandem in meiner Familie als Kind sexuell missbraucht wurde! Ich habe überhaupt keine Zeit, um herumzurennen und Leute aus Spaß oder um des Geldes wegen umzubringen! Okay?«
In Kaisers Augen blitzt irgendetwas auf – Menschlichkeit vielleicht. Dann sieht er erneut über meine Schulter zu Piazza. Kaiser ist meine einzige Hoffnung, auf freiem Fuß zu bleiben.
»Ich habe mit Malik am Telefon geredet«, räume ich ein.»Er hat mir ein paar Dinge über den Fall erzählt. Wenn Sie mich verhaften oder zulassen, dass das nopd mich verhaftet, werden Sie niemals herausfinden, was für Dinge das sind.«
»Wovon reden Sie?«, fragt Kaiser mit zusammengekniffenen Augen.
»Haben Sie eine Schachtel in Maliks Zimmer gefunden?«
»Nein. Was war in dieser Schachtel?«
Ich schüttele den Kopf.
Kaiser packt mein Handgelenk. »Kommen Sie mit.«
Als er mich zu seinem Crown Victoria zerrt, mit dem ich vor ein paar Tagen schon einmal gefahren bin, werfe auch ich einen Blick über die Schulter. Die beiden Detectives vom nopd folgen uns. Kaiser schiebt mich auf den Rücksitz und steigt hinter mir ein. Eingesperrt mit ihm zusammen in diesem beengten, winzigen Raum, spüre ich erneut die Anziehungskraft dieses Mannes. Der gleiche persönliche Magnetismus, den ich auch an jenem Nachmittag in meinem Haus gespürt habe, als Sean bei mir war.
»Was geschieht jetzt?«, frage ich.
Sein Gesicht ist angespannt. »Ich weiß es nicht, aber es dürfte interessant werden.«
Einer der Detectives klopft ans Fenster.
»Sie steigen nicht aus diesem Wagen, bevor ich es Ihnen nicht sage«, sagt Kaiser.
»Keine Sorge.«
Kaiser steigt aus und verschließt hinter sich die Tür. Draußen beginnt eine hitzige Diskussion, doch Kaiser zieht die Detectives stetig vom Wagen weg, sodass ich nur einen Teil ihrer Unterhaltung verstehen kann. Es sind vereinzelte Worte, ohne jeden Zusammenhang. Arrest. Verschwörung. Hilfe und Beihilfe. Eine Frauenstimme gesellt sich zu dem Durcheinander. Captain Piazza erzählt irgendetwas von Zuständigkeit des nopd und Einmischung der Bundesbehörde. Das Word »Psycho« dringt an mein Ohr. Kaiser spricht allem Anschein nach leise, weil ich kein Wort von ihm hören kann. Und doch ist esKaiser, der nach zwei Minuten zum Wagen zurückkommt und zu mir einsteigt.
»Wird das nopd mich jetzt verhaften?«
»Sie würden es am liebsten tun, ja. Piazza denkt, dass Sie uns von Anfang an belogen haben. Dass Sie Malik mit Informationen über den Stand der Ermittlungen versorgt haben. Sie will Sean Regan suspendieren, und sie will Sie an die Wand nageln, Cat. Piazza will Sie höchstpersönlich verhören.«
»Großartig.«
Kaisers Blick bohrt sich in meinen. »Was war in der Schachtel, die Sie erwähnt haben, Cat? Im Augenblick ist diese Schachtel vielleicht das Einzige, was Sie vor dem Gefängnis bewahrt.«
»Ein Film.«
Ich sehe, wie hinter Kaisers Augen mit Lichtgeschwindigkeit neue Verbindungen geknüpft werden. »Die Videoproduktionsausrüstung«, sagt er. »Das Zeug, das wir in Maliks geheimem Unterschlupf gefunden haben. Hat er es dafür gebraucht?«
»Bravo.«
»Was für ein Film ist das?«
»Malik hat eine Dokumentation über sexuellen Missbrauch gemacht. Über eine experimentelle Therapiegruppe, die er Gruppe X genannt hat.«
»Ich will verdammt sein!«
»Er hat nur weibliche Patienten in diese Gruppe aufgenommen. Er hat erzählt, es wäre ein ziemlich radikaler Film. Es war sein Lebenswerk. Malik hätte sich niemals selbst getötet, ohne diesen Film vorher beendet zu haben. Und er schien zu glauben, dass es eine Menge
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