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Bisswunden

Bisswunden

Titel: Bisswunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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»Merkwürdig.«
    »Nachdem Ann und Malik tot sind, kann uns nur noch dieser Film oder ein überlebendes Mitglied der Gruppe verraten, wer die übrigen Mitglieder waren.«
    Hannah sieht Kaiser eigenartig an. »Ich habe das Gefühl, als wollten Sie mich etwas fragen.«
    »Das ist richtig. Besteht die Möglichkeit, dass Catherine ein Mitglied dieser Gruppe war, ohne es zu wissen? Dr. Malik hat angedeutet, dass sie unter Umständen an einem multiplen Persönlichkeitssyndrom leidet.«
    Hannahs Blick streift mich flüchtig, bevor sie sich wieder Kaiser zuwendet. »Das ist lächerlich! Cat hat zugegebenermaßen dissoziierte Phasen durchlebt, doch die Vorstellung, dass sie unter einem ausgewachsenen dissoziativen Identitätssyndrom leidet, ist einfach absurd! Schlagen Sie sich diesen Unsinn aus dem Kopf, Agent Kaiser. Nathan Malik mag hin und wieder geniale Einfälle gehabt haben, doch er war auch ein Spinner.«
    Jetzt bin ich wirklich verdammt erleichtert, geht es mir durch den Kopf.
    Kaiser und Hannah sinnieren weiter vor sich hin, doch irgendetwas hindert mich daran, ihrer Unterhaltung zu folgen. Es ist nicht die Trauer wegen Ann. Ich bin im Augenblick viel zu betäubt, um Trauer zu spüren. Es ist etwas anderes. Das Gefühl, etwas übersehen zu haben.
    »Sie haben mir noch immer nicht alles gesagt, John«, unterbreche ich die beiden.
    Er blickt auf und schüttelt den Kopf. »Wieso denken Sie das?«
    »Ich weiß es nicht. Haben Sie mir alles über Anns Tod erzählt? Über die Umstände, unter denen sie gefunden wurde? Haben Sie irgendetwas ausgelassen?«
    Er runzelt die Stirn. Er sieht aus, als würde er aufrichtig nachdenken. »Sie hat sich das Morphium in beide Arme injiziert. Sagt Ihnen das etwas?«
    »Nur, dass sie es ernst gemeint hat. Was noch? Haben Sie Fotos vom Tatort?«
    Er nickt zögernd. »Ich habe mir vom Sheriffs Department der West Feliciana Parish alles über den Tatort per E-Mail senden lassen. Daher wusste ich, dass das Gebäude ein Blechdach hat. Sind Sie sicher, dass Sie die Bilder sehen wollen?«
    »Ja.«
    Er sieht erneut zu Hannah Goldman. Hannah mustert mich einige Sekunden lang, dann sagt sie: »Cat ist bereits im Schock. Wenn es bei der Aufklärung der Morde helfen kann, wüsste ich keinen Grund, ihr die Bilder vorzuenthalten.«
    Kaiser verspricht, sofort mit den Fotos zurückzukommen, dann verlässt er den Raum.
    Hannah sieht mich von der Pritsche her an, auf der sie Platz genommen hat. »Ich mache mir Sorgen wegen ihres Verhaltens, Cat. Sie wissen, dass Sie sich in einem Schockzustand befinden?«
    »Vermutlich, ja. Ich fühle mich taub.«
    »Und Sie trinken nicht?«
    »Seit Tagen nicht mehr.«
    Ihre Augen mustern mich wie ein medizinisches Instrument. »Sie nehmen Ihre Medikamente nicht, habe ich Recht?«
    Ich hasse es, darauf antworten zu müssen. »Ja.«
    »Wie lange schon?«
    »Ich weiß es nicht genau. Eine Woche vielleicht.«
    Sie schüttelt den Kopf. »Ich hasse mechanische Analogien, doch heute fällt mir nichts anderes ein. Sie zu beobachten ist, als würde man eine Maschine beobachten. Ihre biologischen Funktionen sind einwandfrei, doch Sie sind nicht da. Sie haben beschrieben, dass Sie sich in diesem Zustand fühlen, wenn Sie Sex haben.«
    »Ich weiß, aber das ist es nicht. Ich bin immer so, wenn ich arbeite.«
    »Immer?«
    »Ja.«
    Hannah blickt zur Tür, als würde sie lauschen, ob Kaiser zurückkommt. »Ich war manchmal auf der Medical School so. Aber irgendetwas an Ihnen erscheint anders. Und das hier ist kein normaler Fall, ganz gleich, was Sie sich selbst vormachen. Sie können nicht tun, als wären Sie nicht mit Ann Hilgard verwandt gewesen. Sie waren es. Ann war Ihre Tante. Sie sindimmer noch mit ihr verwandt, im Faulkner’schen Sinn, nach dem die Vergangenheit niemals vergangen ist. Faulkner hat gesagt, dass es kein War gibt, sondern nur ein Ist. Würde ein War existieren, gäbe es keine Trauer und keine Sorgen. Ann war Ihre Blutsverwandte, Cat, und sie hat sich das Leben genommen. Sie hat etwas getan, worüber Sie selbst häufig nachgedacht haben.«
    »Ich muss die Wahrheit herausfinden, Hannah. Das ist das Einzige, was mich jetzt noch geistig gesund hält.«
    Ihr Blick wankt nicht. »Glauben Sie?«
    »Es ist meine einzige Hoffnung.«
    Die Tür öffnet sich, und Kaiser kommt herein. Er hat die Fotos bei sich, Ausdrucke im Format zwanzig mal fünfundzwanzig Zentimeter. Bevor ich Zeit finden kann, es mir vielleicht doch noch anders zu überlegen, nehme ich sie ihm ab und

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