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Bisswunden

Bisswunden

Titel: Bisswunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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herumlaufen, untergräbt meine Glaubwürdigkeit mehr. Ich brauche Hilfe, Cat.«
    Michaels Wecker zeigt 07:05 a. m. »Geben Sie mir acht Stunden, John. Bis dahin habe ich etwas für Sie, oder ich komme zurück nach New Orleans, damit Sie mich den Wölfen vorwerfen können.«
    Das Schweigen auf der anderen Seite scheint nicht enden zu wollen.
    »Was könnten Sie in Natchez herausfinden, das mir hier in New Orleans weiterhilft?«, fragt er schließlich.
    Wahrscheinlich überhaupt nichts, aber das schert mich einen Dreck. Ich muss dich lediglich aus meinem Rücken kriegen, das ist alles.
    »Acht Stunden, Cat«, sagt er leise. »Wenn ich bis heute Nachmittag um fünf Uhr nichts von Ihnen gehört habe, werde ich veranlassen, dass die Natchez Police Sie wegen Mordverdachts festnimmt.«
    Falls sie mich findet  … »Danke, John. Hey, könnten Sie mir den Autopsiebericht zufaxen?«
    Eine weitere Pause.
    »John, ich bin eine Familienangehörige von Ann, Herrgott! Bitte!«
    »Sie sind lästig wie Hämorrhoiden, das sind Sie! Soll ich den Bericht an die gleiche Nummer faxen, an die ich auch die Unterlagen über Malik geschickt habe?«
    »Perfekt, John. Ich melde mich vor fünf Uhr bei Ihnen.«
    »Cat …«
    Ich unterbreche das Gespräch; dann springe ich aus dem Bett und renne ins Badezimmer. Der Leichnam meines Vaters wird heute aus der Erde kommen, und nichts und niemand wird es verhindern. Wenn der Richter eine eidesstattliche Erklärung von meiner Mutter verlangt, um einen Gerichtsbeschluss zur Exhumierung auszustellen, wird er sie bekommen. Es wird kein Leugnen mehr geben für die Frauen der DeSalle-Familie.
    Leugnen bedeutet Tod.

54
    M om sitzt in einem schweißgetränkten Hausmantel an ihrem Küchentisch und starrt mit leerem Blick auf einen Becher Kaffee. Sie sieht nicht auf, als ich die Tür öffne. Erst als ich mich ihr gegenüber an den Tisch setze, hebt sie den Kopf und sieht mich an.
    »War Großvater hier?«, frage ich.
    Sie zuckt die Schultern.
    Ich war bereits im Büro meines Großvaters und habe den Autopsiebericht geholt, den Kaiser hierher gefaxt hat. Es war reines Glück, dass Großvater nicht in seinem Büro war, als das Fax kam – obwohl ein Teil von mir sich gewünscht hätte, dass er da wäre –, doch mein Glück endete in dem Augenblick, als ich versucht habe, mir eine weitere Pistole aus seinem Safe zu borgen. Er hat die Kombination geändert.
    »Ich muss dir einige Dinge erzählen, Mutter. Es wird nicht leicht sein, das alles anzuhören, doch du hast keine Wahl mehr. Du bist es deiner Schwester schuldig.«
    Ihre Augen sind blutunterlaufen, und sie hat blauschwarze Ringe darunter. Doch ihr Verstand scheint wach. Unter welcher Droge sie auch immer gestern gestanden hat, sie ist aus ihrem Kreislauf verschwunden.
    Mit leiser, besonnener Stimme fange ich an zu reden. Ich erzähle ihr, was der Pathologe bei Anns Autopsie festgestellt hat – dass meine Tante vor vielen, vielen Jahren auf sehr unorthodoxe Art und Weise sterilisiert wurde, aller Wahrscheinlichkeit nach während ihrer »Notfall-Appendektomie« auf der Insel. Mom hört zu wie jemand, der erfährt, dass sein Kind zu Tode gefoltert wurde. Ich habe das Gefühl, als würde sie sich nicht einmal dann rühren, wenn ich ihr mit einer Nadel ins Gesicht steche.
    »Da ist noch etwas«, füge ich hinzu. »Ich hatte gestern Nacht einen Traum. Es ist der Traum, der immer wieder kommt, woich zusammen mit Großvater in dem alten rostigen Pick-up sitze und wir zum Teich fahren. Gestern Nacht habe ich das Ende gesehen. Er hat beim Teich geparkt und dann … Mom, dann hat er mich angefasst …«
    Moms Augen bleiben auf den Tisch gerichtet.
    »Und bevor er mir die Hose auszog, nahm er Lena unter dem Sitz hervor und drückte sie mir in die Arme.«
    Die Hände meiner Mutter haben angefangen zu zittern.
    »Genauso wurde Ann gefunden, Mom«, erinnere ich sie. »Mit ihrer Schildkröte neben ihrem nackten Leichnam.«
    »Ich hatte gestern Nacht ebenfalls einen Traum«, sagt Mom leise.
    »Du … du hattest einen Traum?«
    Sie nimmt den Becher, hebt ihn an die Lippen, trinkt einen Schluck und setzt den Becher klappernd wieder ab.
    »Irgendetwas ist auf der Insel passiert, als ich noch ein kleines Mädchen war«, sagt sie mit einer Stimme, die sich anhört, als käme sie von einer Fremden. Kein Affekt, keine Illusion, nichts. Ich war vierzehn, und ich hatte mich mit einem Jungen dort angefreundet. Er war ein Neger und ein Jahr älter als ich. Es war ganz

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