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Bisswunden

Bisswunden

Titel: Bisswunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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sie eine Zigarette. Ich habe Pearlie nicht mehr rauchen sehen, seit ich ein kleines Mädchen war. Neben ihr steht ein Aschenbecher voll mit ausgedrückten Stummeln, und neben ihrer Kaffeetasse steht eine Flasche billigen Whiskeys.
    »Pearlie?«
    Sie zuckt zusammen. »Ich dachte schon, Billy Neal wäre gekommen, um mich zu holen«, ächzt sie.
    »Warum sollte er?«
    »Wegen dem, was ich weiß.« In ihrer Stimme schwingt ein erschreckender Unterton von Fatalismus.
    »Was weißt du denn?«
    »Das Gleiche wie du, schätze ich.«
    »Und was ist das?«
    Ihre Augen werden wachsam. »Spiel keine Spielchen mit mir. Sag mir lieber, warum du hergekommen bist.«
    »Ich werde Großvater zur Rede stellen. Ich wollte vorher mit dir reden.«
    Sie blinzelt langsam. »Wieso das?«
    »Weil du Dinge weißt, die ich wissen muss. Und ich möchte, dass du weißt, was ich über Großvater herausgefunden habe.«
    »Wovon redest du da?«
    »Großvater hat Daddy ermordet, Pearlie.«
    Die Spitze ihrer Zigarette glüht hell auf. »Glaubst du das nur? Oder kannst du es beweisen?«
    »Ich kann es beweisen. Was ich von dir wissen will – hast du es schon gewusst?«
    Pearlie stößt einen langen Strom Zigarettenrauch aus. »Nicht mit Sicherheit, nein. Ich habe nicht gesehen, wie er es getan hat, falls du das meinst.«
    »Das meine ich nicht, und das weißt du. Hattest du den Verdacht?«
    »Ich hatte einen Verdacht in jener Nacht, ja. Und später auch noch. Aber es gab nichts, was ich deswegen hätte unternehmen können.«
    Ich habe es geahnt. »Du glaubst, Großvater ist unverwundbar, wie? Aber das ist er nicht, Pearlie. Ich werde dafür sorgen, dass er ins Gefängnis kommt. Ich habe alle Beweise, die ich brauche. Erinnerst du dich an Lena die Leopardin?«
    Ein Funkeln in ihren Augen zeigt mir, dass sie weiß, wovonich rede. »Das Stofftier, das du Mister Luke in den Sarg gelegt hast?«
    »Genau. Großvater hat vorgeschlagen, dass ich Lena zu Daddy in den Sarg lege. Weißt du auch, warum er diesen Vorschlag gemacht hat?«
    »Ich weiß, dass Blut an deinem Stofftier war. Ich weiß, dass Dr. Kirkland mir gesagt hat, ich solle es wegwerfen. Als ich ihm sagte, dass es dein Lieblingsstofftier wäre, befahl er mir, es abzuwaschen und den Riss zu nähen.«
    »Weißt du, wieso der Riss in dem Stofftier war?«
    Sie schüttelt den Kopf.
    »Großvater hat Lena in Daddys Mund gesteckt, damit er erstickt, bevor du ins Zimmer kommst. Die Kugel hatte nicht gut genug getroffen, und Daddy starb nicht schnell genug daran.«
    Pearlie zuckt zusammen. »Gütiger Gott. Sag so etwas nicht.«
    »Das ist noch nicht das Schlimmste, Pearlie. Erinnerst du dich an die Geschichte von Anns Operation auf der Insel, die Großvater immer wieder erzählt? Dass er ihr im Laternenlicht den Blinddarm herausgenommen hat? Was für ein großer Held er war, ihr das Leben gerettet zu haben?«
    »Sicher. Er und Ivy haben Ann gerettet.«
    »Wie man’s nimmt. Er hat ihren Blinddarm operiert, zugegeben. Aber er hat noch ein klein wenig mehr gemacht. Er hat Anns Eileiter abgebunden, damit sie nicht schwanger werden konnte.«
    Pearlie senkt den Kopf und fängt leise an zu beten.
    »Warum warst du gestern auf der Insel, Pearlie? Du hasst DeSalle Island.«
    »Ich will nicht darüber reden.«
    »Du musst aber endlich anfangen zu reden. Du hast viel zu lange geschwiegen.«
    Sie trinkt Whiskey aus ihrer Kaffeetasse, dann steckt sie sich eine weitere Zigarette an und nimmt einen tiefen Zug. »Ich hab vor dreiundzwanzig Jahren aufgehört zu rauchen«,sagt sie, und bei jedem Wort kommt Rauch aus ihrem Mund. »Ich habe diese Dinger jeden Tag vermisst. Es wollte einfach nicht aufhören. Aber als ich gehört hab, dass Miss Ann tot ist, musste ich einfach eine rauchen. Und hab seitdem nicht wieder aufgehört.«
    Ich sage nichts.
    »Ich hab 1948 hier angefangen zu arbeiten«, sagt sie wie im Selbstgespräch. »Ich war damals siebzehn. Miss Ann wurde in jenem Jahr geboren, aber sie haben damals noch in New Orleans gewohnt. Dr. Kirkland war noch in der Ausbildung zum Arzt. Er und Mrs. Catherine DeSalle sind erst 1956 nach Natchez gezogen, und nach Malmaison kamen sie erst 1964, als der alte Mr. DeSalle starb.«
    Sie sieht mich an, als wollte sie sicher sein, dass ich begreife. »Das ist der Grund, warum ich nichts bemerkt hab, verstehst du? Miss Ann war sechzehn, als Mr. Kirkland mit seiner Familie hier eingezogen ist. Da war es bereits passiert. Aber trotzdem waren die Dinge irgendwie nicht richtig. Nicht

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