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Bisswunden

Bisswunden

Titel: Bisswunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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Augenblick bin ich gar nicht mal sicher, ob ich will, dass der Killer verhaftet wird. »Das kann ich dir nicht sagen, Sean. Noch nicht.«
    » Scheiße! Was hast du vor, Cat?«
    »Ich komme heute Nachmittag nach New Orleans. Ich möchte, dass du vor meinem Haus auf mich wartest. Bist du noch suspendiert?«
    »Ja.«
    »Hast du noch dein Abzeichen und deine Waffe?«
    »Ich hab eine Waffe. Und ein Abzeichen kann ich in null Komma nichts besorgen. Was hast du vor?«
    »Ich will mit dem Killer reden, bevor wir etwas unternehmen.«
    »Mit ihm reden? Worüber?«
    »Es ist kein Mann, Sean. Es ist eine Frau.«
    Ich höre, wie er heftig atmet. »Cat, tu mir das bitte nicht an.«
    »Es sind nur ein paar Stunden, Sean. Ich weiß, es ist schwer für dich, aber du wirst es verstehen, sobald ich da bin.« Ich biege in die Auffahrt von Malmaison und beschleunige entlang der von Eichen gesäumten Allee. Das schmiedeeiserne Tor steht offen. Ich fahre hindurch und lenke in die lang gestreckte Kurve, die zum Haupthaus führt.
    »Warum hast du mich angerufen?«, fragt Sean misstrauisch. »Warum nicht Kaiser?«
    »Weil ich dir vertraue.« Das ist eine Lüge. Ich habe Sean und nicht Kaiser angerufen, weil ich ihn – bis zu einem gewissen Punkt – kontrollieren kann.
    »Also schön. Ruf mich an, wenn du dreißig Minuten vor der Stadt bist.«
    »Halt dich bereit.« Ich lenke auf den Parkplatz hinter dem Sklavenquartier und sehe schockiert Pearlies blauen Cadillac neben Großvaters Lincoln parken. Ich bin überrascht underleichtert zugleich. »Du musst mir noch einen Gefallen tun, Sean.«
    »Was denn?«
    »Ich weiß jetzt auch, wer meinen Vater ermordet hat.«
    »Tatsächlich? Wer?«
    »Mein Großvater. Er war derjenige, der mich als Kind missbraucht hat. Nicht mein Vater. Daddy hat ihn dabei überrascht, und Großvater hat ihn ermordet, um ihn zum Schweigen zu bringen.«
    »Scheiße.« In Seans Fluch liegen zwei Jahrzehnte Erfahrung als Angehöriger des Morddezernats. »Das tut mir Leid, Cat.«
    »Ich weiß. Aber darum geht es nicht. Hör zu, wenn ich es aus irgendeinem Grund nicht nach New Orleans schaffe – mit anderen Worten, wenn ich tot bin –, dann möchte ich, dass du etwas für mich tust.«
    »Was denn?«
    »Töte ihn.«
    Eine lange Pause. »Deinen Großvater?«
    »Ja.«
    »Meinst du das im Ernst? Ich soll ihn wirklich umbringen?«
    »Ja. Schaff ihn aus der Welt.«
    Im Hörer zischt und knackt und rauscht es. »Das ist eine Menge, um die du mich bittest.«
    »Wenn ich tot bin, wird er niemals angeklagt. Und ich bin überzeugt, dass er es noch immer tut. Verstehst du, Sean? Wenn du mich liebst, dann tu es. Für mich, Sean. Und für deine eigenen Kinder. Ich muss jetzt auflegen.«
    »Warte! Wenn dir etwas passiert, wie erfahre ich dann, wer der Killer hier in New Orleans ist?«
    Ich überlege kurz. »Ich schreibe es auf ein Blatt Papier, das ich unter der Fußmatte des Wagens meiner Mutter verstecke. Ihr Name ist Gwen Ferry. Sie fährt einen goldenen Nissan Maxima. Ist das okay?«
    Ich höre ihn atmen. »Ich schätze, es muss reichen.«
    Ich beende das Gespräch, stecke das Mobiltelefon meiner Mutter ein und öffne das Fach in der Konsole, um es zu durchwühlen. Das einzige Stück Papier ist ein Kassenbon von Wal-Mart. Auf der langen, schmalen Rückseite notiere ich die logische Grundlage für meine Erleuchtung von vorhin beim Bestattungsinstitut. Während ich die Fußmatte anhebe, um den Kassenbon darunter zu verstecken, bete ich inständig, dass Sean nicht nach Natchez fahren muss, um ihn zu suchen.

58
    P earlie antwortet nicht auf mein Klopfen. Als ich trotzdem die Klinke herunterdrücke, stelle ich fest, dass ihre Tür verschlossen ist. Das erschreckt mich. Pearlies Tür ist niemals abgeschlossen. Jedenfalls war sie es nie, solange ich auf Malmaison gewohnt habe. Ein weiterer Hinweis darauf, wie sehr die Dinge sich geändert haben.
    Sie hat auch ihre Vorhänge zugezogen. Nachdem ich die Vorderfenster im Erdgeschoss alle ausprobiert habe, gehe ich zur Rückseite. Ein Fenster ist nur flüchtig verriegelt. Ich wackle am Rahmen, der Riegel löst sich, und ich schiebe das Fenster hoch.
    Pearlies Schlafzimmer ist dunkel, ihr Bett leer. Das Haus ist ein umgebautes Sklavenquartier wie unseres auch und besitzt keinen Korridor. Rasch gehe ich zur Tür und in die angrenzende Küche.
    Wie meine Mutter heute Morgen, so sitzt auch Pearlie an ihrem Küchentisch und starrt mit leerem Blick geradeaus. Doch im Gegensatz zu meiner Mutter raucht

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