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Bisswunden

Bisswunden

Titel: Bisswunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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der einzige Grund für deinen Besuch auf der Insel?«
    Sie richtet ihren dunklen Blick auf mich, und endlich spüre ich die volle Kraft ihrer instinktiven Intelligenz. Ihr ganzes Leben hindurch hat Pearlie ihre rasche Auffassungsgabe versteckt; sie wurde dazu erzogen. Doch der Tod meiner Tante – eines ihrer »Babys« – hat das Weltgefüge der alten Frau gründlich erschüttert, und Pearlie Washington wird nie wieder sein wie früher.
    »Ich glaube nicht, dass Mrs. Catherine durch einen Unfall gestorben ist«, sagt sie fast unhörbar leise. »Ich habe es nie geglaubt.«
    Ihre Worte fahren mir bis ins Mark. »Willst du damit sagen, dass Großmutter Catherine ermordet wurde? Das kann nicht sein. Die Leute haben gesehen, wie sie mit der Sandbank fortgerissen wurde.«
    »Tatsächlich?« Pearlies Augen glitzern in der Dunkelheit.»Sie stand ganz allein dort, als sie ins Wasser ging. Aber ist sie mitgerissen worden? Ist die Sandbank tatsächlich weggespült worden? Mrs. Catherine ist mehr oder weniger auf DeSalle Island aufgewachsen, Mädchen. Glaubst du wirklich, sie hätte sich wie irgendein Narr aus der Stadt auf eine instabile Sandbank gestellt, ohne es zu wissen? Nein, Kind. Genauso wenig, wie sich irgendjemand unbemerkt an Mr. Luke hätte heranschleichen können, nachdem er im Krieg gewesen war. Ich glaube, Mrs. Catherine fand etwas so Schlimmes heraus, dass sie nicht damit leben konnte. Wäre sie zur Polizei gegangen, hätte sie den Namen ihrer Familie für immer ruiniert. Ihre Kinder waren bereits erwachsen … ich glaube, sie hat außer ihrem Tod keinen anderen Ausweg mehr gesehen. Ich glaube, sie hat sich in den Fluss gestürzt, Baby.«
    Selbstmord? Eine fünfundsiebzig Jahre alte Frau? »Was hat sie deiner Meinung nach gesehen, Pearlie?«
    Die Schultern der alten Frau sinken noch weiter herab. »Vor ein paar Jahren, als ich Dr. Kirklands Büro sauber gemacht hab, fand ich ein paar Bilder.«
    Ich halte den Atem an. »Was für Bilder?«
    »Bilder, die man nicht in einen Drogeriemarkt bringen muss, um sie entwickeln zu lassen.«
    »Polaroids?«
    Pearlie nickt nur.
    »Was war auf diesen Bildern zu sehen?«
    »Du und Miss Ann.«
    Mein Gesicht brennt. »Und was haben wir auf den Fotos gemacht?«
    »Ihr seid geschwommen. Nackt.«
    »Zusammen?«
    »Nein. Die Bilder wurden in einem Abstand von sicher fünfundzwanzig Jahren gemacht. Keine von euch beiden war auf den Bildern älter als drei Jahre, und ihr wart beide nackt wie am Tag eurer Geburt. Beide irgendwo in einem Swimmingpool. Wären eure Bilder unter einem Stapel anderer Fotosgewesen, hätte ich mir wahrscheinlich nichts dabei gedacht …« Pearlie hebt einen knochigen Finger. Der Nagel ist rot lackiert. »Aber nur diese beiden … und in so großem Abstand aufgenommen … Mir wurde ganz kalt, als ich sie sah. Als würde der Teufel über mein Grab steigen.«
    »Du glaubst, Großmutter hat diese Bilder gefunden?«
    »Sie muss irgendetwas gefunden haben. In dem Monat vor ihrem Tod hat Mrs. Catherine kaum noch mit irgendjemandem gesprochen. Sie war immer ganz weit weg. Als hätte sie jede Hoffnung verloren.«
    »Pearlie, ich habe in der Scheune in einem Versteck Bilder von nackten Kindern gefunden … in Daddys Sachen.«
    Sie sieht mich voller Überraschung an. »Mr. Luke hatte auch solche Bilder?«
    »Ja. Aber nach dem, was ich heute weiß, glaube ich, dass er genau das Gleiche getan hat wie du. Er hat einige von Großvaters Bildern gefunden. Und er hat sie behalten. Ich könnte wetten, dass er vorhatte, Großvater deswegen zur Rede zu stellen. Möglicherweise waren es diese Fotos, die Daddy überhaupt erst misstrauisch genug gemacht haben, um in mein Zimmer zu kommen und nach mir zu sehen in jener Nacht, als er ermordet wurde.«
    »Ich hab nach weiteren Bildern von dieser Sorte gesucht«, sagt Pearlie. »Aber ich hab bis jetzt noch keine gefunden. Herrgott, all das Elend, das dieser Mann verursacht hat. Er ist krank, das ist er!«
    Ich stehe auf und ziehe die Vorhänge vor dem Küchenfenster zur Seite. Still und majestätisch wie ein Königsgrab steht Malmaison vor mir. »Großvater wird nie wieder einem Kind Schaden zufügen«, sage ich leise. »Damit ist von jetzt an Schluss.«
    »Wie willst du ihn denn aufhalten, Mädchen? Selbst die Polizei hat Angst vor Dr. Kirkland. Meine Güte, dieses Haus und dieses Grundstück hier kosten mehr als die Häuser von sämtlichen Cops in der Stadt zusammen. Und das Haus desBürgermeisters obendrein. Dr. Kirkland hat

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