Bisswunden
entsteht, ist lang genug, um mir die Antwort zu liefern. »Hast du den Verstand verloren? Auf gar keinen Fall wird mir irgendein Zahnarzt ohne einen Gerichtsbeschluss seine Unterlagen überlassen! Bis wann kannst du einen Gerichtsbeschluss besorgen?«
»Die Sonderkommission diskutiert derzeit darüber. Das Problem ist, sobald wir nach diesen Unterlagen fragen, weiß Malik, dass wir uns für ihn interessieren.«
»Na und? Wenn sein Zahnprofil zu den Bisswunden an den Opfern passt, spielt das doch keine Rolle mehr. Aber wenn wir gegen irgendwelche Bestimmungen verstoßen und einen ›inoffiziellen‹ Blick auf seine Unterlagen werfen – oder wenn Maliks Zahnarzt sie uns illegal zur Verfügung stellt – und das wird bei Gericht vorgebracht, geht Malik als freier Mann nach Hause.«
» Wenn es bei Gericht vorgebracht wird, ja. Aber du bist Teil des alten Beziehungsgeflechts in dieser Stadt. Zumindest, was Zahnärzte angeht.«
»Da irrst du dich gewaltig, Sean. Ich werde vielleicht toleriert, vielleicht sogar widerwillig respektiert. Deswegen gehöre ich aber noch lange nicht dazu, und wenn ich …«
»Cat.« Seine Stimme ist voller Drängen.
»Willst du diesen Killer wirklich so dringend aufhalten? Oder geht es dir lediglich um den Ruhm, ihn geschnappt zu haben?«
»Das ist nicht fair, Cat.«
»Unsinn. Dieser Killer hat bis jetzt einmal pro Woche zugeschlagen. Der letzte Mord liegt erst vierundzwanzig Stunden zurück. Wir haben also noch etwas Zeit. Die Sonderkommission, meine ich.«
Sean antwortet nicht sogleich. In der entstehenden Pause versuche ich, mir über seine wirklichen Motive klar zu werden.Er liebt den Ruhm, aber hier verbirgt sich etwas Tiefergehendes. Sean spricht erneut, doch ich höre ihm nicht zu, weil mir plötzlich klar wird, um was es geht.
»Du versuchst deinen Hintern zu retten.«
Das nun einsetzende Schweigen verrät mir, dass ich ins Schwarze getroffen habe. »Hat Captain Piazza vor, dich wegen unserer Affäre zu feuern?«
»Piazza wird mich niemals feuern«, antwortet er mit gespieltem Stolz. »Ich sorge schließlich dafür, dass sie verdammt gut aussieht.«
»Vielleicht. Aber sie wird dich so sicher wie das Amen in der Kirche aus der Sonderkommission entfernen. Und den Killer positiv zu identifizieren, bevor das fbi es kann, würde deinen Stand bei ihr wieder in ein günstigeres Licht rücken, richtig?«
Erneutes Schweigen. »Ich brauche diesen Fall, Cat.«
»Vielleicht. Aber diesen Killer ins Gefängnis zu bringen, ist wichtiger als dein Job.«
»Das weiß ich selbst. Ich will ja nur …«
»Nein, Sean, auf keinen Fall. Ich habe für dich gegen eine Menge Vorschriften verstoßen, aber ich habe dabei niemals eine Verurteilung gefährdet, und das werde ich auch diesmal nicht tun.«
»Okay, okay. Aber du könntest mir wenigstens verraten, ob du diesen Zahnarzt kennst. Er heißt Shubb. Harold Shubb.«
Ich spüre, wie erneut Erregung in mir aufsteigt. Harold Shubb gehört einer Freiwilligeneinheit an, der diu, die im Katastrophenfall Leichen identifiziert. Ich habe diese Gruppe gegründet. Shubb hat eines meiner Seminare in forensischer Odontologie besucht, und er würde sich ganz sicher über einen Anruf von mir freuen.
»Du kennst ihn. Ich spüre es«, sagt Sean.
»Ich kenne ihn.«
»Ist er okay?«
»Ja. Aber das ändert überhaupt nichts. Besorg deinenGerichtsbeschluss, und Shubb wird dir helfen. Außerdem solltest du herauszufinden versuchen, ob dieser Malik sich als Heranwachsender oder später einer kieferorthopädischen Behandlung unterzogen hat. Kieferorthopäden bewahren ihre Abdrücke viele Jahre lang auf, als Rückversicherung gegen spätere Schadensersatzklagen vor Gericht.«
Sean seufzt schwer. »Ich werde es weitergeben.«
»Kaiser weiß es wahrscheinlich längst.« Ich sehe in Gedanken den ehemaligen Profiler des fbi vor mir. Ich kann nicht glauben, dass ihm so etwas entgeht.
»Ich weiß, dass du nicht anrufen willst«, sagt Sean in schmeichelndem Ton. »Aber ich könnte dir doch wenigstens faxen, was ich über Malik habe. Das willst du doch bestimmt sehen, oder?«
Ich antworte nicht. Meine Gedanken sind zurückgewandert zu den blutigen Fußabdrücken in meinem Schlafzimmer.
»Cat? Bist du noch da?«
»Schick mir, was du hast.«
»Gib mir eine Faxnummer.«
Ich gebe ihm die Faxnummer meines Großvaters. Ich kenne sie auswendig, weil wir manchmal Dokumente hin und her schicken, wenn es um meinen Treuhandfonds geht.
»Ich schicke sie dir, sobald ich
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