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Bisswunden

Bisswunden

Titel: Bisswunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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zu sein? Wird er Vater unseres Kindes sein wollen, obwohl er bereits drei Kinder hat? Wird er erkennen, dass unsere Beziehung auch dann erfolgreich sein könnte, wenn wir uns nicht mehr verstecken?
    Ich frage mich, ob ein Teil meines Eifers, Sean beim Lösen seiner Fälle zu helfen, daher rührt, dass ich mich unentbehrlich für ihn machen wollte. Falls es stimmt, dann war es erbärmlich. Und doch … falls es so ist, dann habe ich diesmal selbst darin versagt. Nachdem die nomurs-Opfer endlich in eine Verbindung zueinander gebracht wurden, ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Killer gefunden wird. Falls Nathan Maliks Zahnabdrücke mit den Bisswunden auf den Toten übereinstimmen, ist alles gelaufen – bis auf die tödliche Injektion, die Malik in vielleicht zehn Jahren bekommt …
    Die Vorstellung von einem mordenden Psychiater fasziniert mich. Es gibt ähnliche Fälle in der Literatur, und ich frage mich, ob Dr. Malik sich dessen bewusst ist. Ich hatte schon mehrere Therapeuten, bei denen ich einen tief sitzenden Wahnsinn vermutet habe. Da gab es einen Dr. DeLorne, einen Psychologen mit sanfter, einschmeichelnder Stimme, ein Mann um die sechzig, dessen Augen jedes Mal zu funkeln begannen, wenn er mich über sexuelle Dinge ausfragte. SeineAnstrengungen blieben vergeblich, doch im Verlauf der Sitzungen fand ich wenigstens eine Ablenkung von meinen Problemen, während ich zu lesen versuchte, was hinter jenen Augen vorging. Was hätte DeLorne zu meinen Panikattacken an den Tatorten gesagt? Wahrscheinlich hätte er sie meiner Schwangerschaft zugeschrieben. Doch die erste Attacke hatte sich bereits zwei Tage, bevor ich von meiner Schwangerschaft wusste, ereignet. Falls nicht ein leicht erhöhter Hormonspiegel Panik auslösen kann, muss die Ursache woanders liegen. Alkohol wäre ein weiterer möglicher Schuldiger – entweder zu viel oder zu wenig –, doch ich hatte meine erste Attacke, während ich behaglich eingelullt war von Grey Goose, und die zweite, als ich stocknüchtern war. Ich hatte schon immer gelegentliche Blackouts vom Trinken, aber noch nie Panikattacken. Tatsächlich verleiht mir der Alkohol mehr Mut, als ich eigentlich habe. Angetrunkenen Mut, wie sie es in den alten Filmen nennen.
    Während die Sauerstoffkonzentration in meinem Gewebe weiter sinkt, steigen tiefergehende Fragen aus meinem Unterbewusstsein empor. Was für eine Bedeutung hat der Regen auf einem Blechdach? Warum höre ich dieses Geräusch? Und warum ausgerechnet zu den Zeiten, zu denen ich es höre? Das einzige Blechdach auf Malmaison ist auf der Scheune, die mein Vater als Studio benutzt hat, und meine Erinnerungen an diesen Raum sind so kostbar wie heilig. Nichts an dieser Scheune ruft Panik in mir hervor. Und meine Albträume? Seit Jahren werde ich im Schlaf heimgesucht von den Bildern grauenvoller Kreaturen – manchmal menschlich, manchmal halb Mensch, halb Bestie –, die in mein Haus einzubrechen versuchen, um mich zu töten. Dieses Szenario kommt in tausenden verschiedenen Variationen, die alle ausnahmslos so »real« sind wie meine Erfahrungen in der »wachen« Welt. Außerdem habe ich wiederkehrende Träume, als würde mein Unterbewusstsein versuchen, mir eine Botschaft zu senden. Doch weder ich noch meine Therapeuten waren bis heute in der Lage, die Bilderfolgen zu entschlüsseln. Vor zwei Wochen, kurz vor meiner erstenPanikattacke, träumte ich von einem Sommertag auf DeSalle Island. Ich fahre in dem alten Pick-up, den mein Großvater für die Arbeit auf der Insel benutzt. Großvater sitzt hinter dem Steuer, und ich bin gerade groß genug, um über das Armaturenbrett zu sehen. Der Truck riecht nach altem Motoröl und handgedrehten Zigaretten. Wir fahren durch eine Ackerlandschaft einen sanften Hügel hinauf. Auf der anderen Seite des Hügels liegt ein kleiner See, an dem die Kühe saufen. Jedes Mal, wenn der Traum zurückkehrt, fahren wir den Hügel ein kleines Stück weiter hinauf. Doch wir erreichen niemals den Kamm.
    Der leuchtende Fußabdruck aus meinem Schlafzimmer erfüllt mein sich verdunkelndes Bewusstsein. Stammt er von meinem eigenen acht Jahre alten Fuß? Wer sonst könnte den Abdruck hinterlassen haben? Dieses Zimmer war mein Zimmer, fast sechzehn Jahre lang. Der Teppich wurde in dem Jahr verlegt, als ich geboren wurde und das ganze Zimmer umgebaut worden war. Kein anderes Kind hat nach mir auf Malmaison gelebt, und soweit ich weiß, hat kein anderes Kind je in diesem Zimmer geschlafen. Die Schlussfolgerung

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