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Bisswunden

Bisswunden

Titel: Bisswunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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kann«, verspricht Sean.
    »Prima.«
    Verlegenes Schweigen entsteht. »Kommst du heute Nacht zurück?«, fragt er schließlich.
    Ich höre tatsächlich so etwas wie Einsamkeit in seiner Stimme. »Nein.«
    »Dann morgen?«
    »Ich weiß es nicht, Sean.«
    »Warum nicht? Du fährst kaum jemals nach Hause, und wenn, dann gefällt es dir nicht.«
    »Es ist etwas passiert hier oben.«
    »Was denn? Ist jemand krank?«
    »Ich kann es jetzt noch nicht erklären. Ich muss aufhören.«
    »Dann ruf mich später wieder an.«
    »Wenn ich etwas Interessantes in den Unterlagen finde, die du mir zugefaxt hast, melde ich mich. Ansonsten wird es frühestens morgen, bevor du wieder von mir hörst.«
    Sean schweigt. Dann, einige Augenblicke später, sagt er: »Auf Wiedersehen, Cat.«
    Ich klicke das Gespräch weg und blicke zu den Sklavenquartieren. Dann wende ich mich um und sehe die Rückfront von Malmaison an. Ich will mit meiner Mutter reden, doch sie ist noch immer wenigstens zwanzig Minuten entfernt. Plötzlich entsteht inmitten der diffusen Masse aus Gedanken, die mein Bewusstsein in diesem Moment erfüllen, ein vollkommen klares Bild. Ich setze mich in Bewegung, trotte in Richtung der Bäume auf der Ostseite der ausgedehnten Rasenfläche, indem ich einem Pfad folge, den ich vor fünfzehn Jahren mit meinen eigenen Füßen getrampelt habe.
    Ich muss unter Wasser.
    Während ich zwischen den Bäumen hindurchjogge, erspähe ich eine dunkle Gestalt im Schatten ungefähr vierzig Meter entfernt. Einen Schwarzen in Arbeitskleidung. Ich weiche nach links aus, sodass ich ihm nicht allzu nahe komme; dann aber erkenne ich Mose, den Gärtner, der schon auf Malmaison gearbeitet hat, als ich noch nicht geboren war. Früher einmal war er ein muskulöser Riese, der Bahnschwellen auf dem Rücken tragen konnte, doch heute ist sein Kreuz gebeugt, und sein weißer Stoppelbart wächst fast bis unter die wässrigen gelben Augen. Mose wohnt allein in einem kleinen Haus auf der Rückseite des Besitzes, doch einmal in der Woche kommandiert er eine Armee jüngerer Männer, die das Grundstück mit beinahe militärischer Präzision in Schuss halten. Ich winke, als ich ihn passiere. Der alte Mann hebt unsicher den Arm – er scheint mich nicht zu erkennen. Wahrscheinlich denkt er, ich wäre eine von diesen Vorstadt-Hausfrauen aus Brookwood. Das Unheimliche daran ist, dass ich inzwischen alt genug bin, um tatsächlich eine zu sein. Ich beschleunige meine Schritte,während mein Verstand vorausjagt zu einem Ort, den ich viel zu lange nicht mehr besucht habe.
    Die Jahre fallen von mir ab, während ich renne.

9
    I ch stapfe zwischen den Bäumen am östlichen Rand des Grundstücks hindurch, das Malmaison umschließt, und komme plötzlich hinter den Häusern von Brookwood Estates hervor, einem Vorort auf ehemaligem DeSalle-Land, das während der 1930er Jahre an eine Entwicklungsfirma verkauft wurde, als Malmaison nicht in den Händen der Familie war. Die Häuser von Brookwood stammen größtenteils aus den 1950er Jahren, einstöckige Ranch Houses, doch ein paar weiter hinten sind zweistöckig und im Kolonialstil errichtet. Eines der Kolonialhäuser gehört den Hemmeters, einem älteren Ehepaar, das einen Swimmingpool im Garten hat.
    Ich bin früher hierher gelaufen, weil mein Großvater sich trotz seines gewaltigen Reichtums und meiner fanatischen Begeisterung für das Schwimmen – drei aufeinander folgende Staatsmeisterschaften – weigerte, mir einen Pool zum Üben bauen zu lassen. Meine Bitte war nicht die eines verzogenen Kindes: Meine Highschool, St. Stephen’s, hatte kein eigenes Schwimmbad, und so war unsere Mannschaft gezwungen, zu verschiedenen Zeiten des Jahres an den verschiedensten Orten zu trainieren, wo immer wir eine Genehmigung dazu erhielten. Meine Mutter und Großmutter unterstützten meine Bitte auf die übliche, unentschlossene Weise, doch weil das ursprüngliche Malmaison keinen Pool hatte, weigerte sich Großvater rundheraus, »sein« Land mit einem Pool zu »verschandeln«. Um das Problem zu lösen, absolvierte ich meine täglichen Trainingsbahnen im Pool der Hemmeters in Brookwood. Das altePaar saß jedes Mal hinten auf der Veranda und sah mir dabei zu, und die beiden wurden zu meinen größten Fans bei regionalen Meisterschaften. Mr. Hemmeter starb vor ein paar Jahren, doch seine Witwe hat das Haus behalten.
    Irgendetwas am Haus der Hemmeters ist anders, als ich mich nähere, doch das ist wohl zu erwarten, nachdem der Mann gestorben ist.

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